Ein Wasserfall aus Dosen. Flimmern aus allen Ecken. Hochglanzfotos auf Alu-Dibond. Die Künstler in den Metropolen Afrikas scheinen strategisch in der Kunstwelt der Ist-Zeit angekommen. Aber in der Ausstellung „Afropolis“ pulsiert ein Leben, das nur auf den ersten Blick und maximal marginal mit den Megacities der Industriewelt mithalten kann und will. Kairo, Lagos, Nairobi, Kinshasa und Johannesburg sind so anders, so archaisch, so mitreißend. Die erste Sonderschau im Neubau des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums präsentiert aktuelle Arbeiten von aus Europa und Afrika stammenden Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlicher Genres, zwischen künstlerischen Recherchen, dokumentarischem Material und künstlerischer Reflexion. Es werden Arbeiten aus den Bereichen Grafik, Malerei, Fotografie, Skulptur, Installation, Film- und Videokunst, aber auch Design, Comics und Weblogs gezeigt. Eine kritische Auseinandersetzung zwischen Multimedia und Kolonialismus, großartig inszeniert, bildet nur eine Etage unter den musealen Sammlungen von afrikanischen Holzspeeren und Ritualmasken.
X-Limits Design ist eine der führenden Matatu-Werkstätten in Nairobi. Sie stellen abgewrackte Kleinbusse wieder auf die Räder, die dann kunstvoll verziert durch die Straßen der Metropole Kenias kreisen. Aber nur gut ein Jahr lang, dann müssen die rollenden Blech-Skulpturen wieder unter die Farbpistole. Einige gestaltete Autoteile hängen in Köln. Daneben hat Sam Hopkins einen Container aufgebaut. Die Soundinstallation nennt er Urbane Mythologien. Hier kann der Besucher hören, worüber sich in den Matatus so unterhalten wird. Im Videoinstallations-Diptichon nebenan flimmert das Slum-TV einer Basisinitiative, die hauptsächlich mit dokumentarischen Clips arbeitet. „Upgradasion“, an dem auch Hopkins beteiligt war, gibt ungewohnte Einblicke in die komplexen Ökonomien und Machtstrukturen eines Slums.
Ganz anders geht das Künstlerkollektiv SADI vor. Die KünstlerInnen leben in Kinshasa. In der kongolesischen Stadt, der drittgrößten in Afrika, leben fast neun Millionen Einwohner, und immer noch kommen Tausende dazu. Im von Bodenerosion stark zerstörten Stadtteil Kindele spürt SADI dem Leben der Menschen nach, die Opfer der Erdrutsche wurden und wegziehen mussten. Sie rekonstruieren ihre Geschichte anhand von Gegenständen, die sie zurückließen. Da ist der Stiefel eines Polizisten zu sehen, der die Bewohner beschützen sollte, und der bemalte Bettrahmen, der von einer 10köpfigen Familie stammt, die durch den Einsturz ihres Hauses getrennt wurde.
Weiter geht’s den Ohren nach. „Itchy City“ ist die nächste Metropole nebenan. Rapper Kgafela oa Magogodi spricht über seine Heimatstadt Johannesburg. Hier sind die Finger alle „itchy“. Nervös und zitternd gekrümmt um den Abzug irgendeiner Waffe. Sein Gedicht ist Teil eines Theaterstücks, das Magogodi inszeniert hat, und die Filmsequenzen der Liveperformance werden überblendet mit filmischen und gemalten Stadtansichten.
Alltag und Absurdität des Lebens in den fünf afrikanischen Metropolen ist der rote Faden, der sich durch die herrlich unübersichtliche Ausstellung zieht, die Träume und Statements von 30 Künstlern, die zum Teil inzwischen auch in Europa leben, zeitgenössisch visualisiert.
Afropolis I Rautenstrauch-Joest-Museum I bis 13. März I 0221 22 13 13 56
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