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Der britische Autor Reginald Hill († 2012)
Foto: Rosemary Herbert/Suhrkamp Verlag

Ein Roman, der nie enden sollte

03. Mai 2013

Reginald Hills letzter Kriminalroman ist schon jetzt ein Klassiker – Krimi 04/13

Es gibt Bücher, in denen man 100 Seiten liest und mit großer Freude feststellt, dass noch weitere 600 auf einen warten. Bücher, bei denen man nie an ein Ende kommen will. Von diesem Kaliber ist Reginald Hills letzter Roman „Rache verjährt nicht“. 40 Jahre hat der schlanke, freundliche Herr aus dem Norden Englands Kriminalromane geschrieben und so ziemlich jede Auszeichnung gewonnen, die man in seiner Heimat für dieses Genre der Literatur vorgesehen hat. Hill war schon in seinen ersten Büchern gut, dann wurde er immer besser, und mit diesem letzten Roman hat er sich in den Kreis der „All Time Favourites“ der Kriminalliteratur geschrieben. Die Nachricht von seinem Tode im letzten Jahr war ein harter Schlag für den Literaturbetrieb.

Die Story könnte nicht einfacher sein. Wilfred Hadda ist ein Selfmademan, der in wenigen Jahren ein Finanzimperium aufgebaut hat. Dann wird er denunziert, unschuldig verurteilt, muss für etliche Jahre ins Gefängnis. Als er wieder freikommt, setzt er zu einem Rachefeldzug an. Nichts Besonderes, diese Geschichte, aber wie sie erzählt ist, das versetzt einen beim Lesen in schieres Entzücken.

Hill erzählt nicht nur von Hadda, sondern auch von seinem Rechtsanwalt, seiner Ehefrau, seinem Schwiegervater, den Polizisten; jenen, die ihn tyrannisierten, und jenen, die ihm ihren Respekt zollten. Vor allem erzählt er von Haddas Gefängnis-Psychiaterin, Alva Ozigbo, die zur zweiten wichtigen Protagonistin dieses Romans wird. Die dritte Kraft der Geschichte ist Cumbria, die rauhe Landschaft im Norden Englands, mit ihren Wäldern, den schroffen Felsformationen und Seen. Hier auf dem Lande verbringt man als Leser die meiste Zeit mit Hills charismatischem Helden. Hier, wo Hadda im Haus seines verstorbenen Vaters wieder neu beginnt, humpelnd und vernarbt nach einem schweren Unfall; wo der Pfarrer aus dem Dorf ein Auge auf ihn hat und der Landadel residiert; im Dorf, aus dem seine Ex-Frau, die schöne und eisenharte Imogen, stammt.

Es ist aber nicht alleine das Erzähltalent, mit dem Hill detailreich und realistisch wie ein Filmregisseur seine Geschichte entfaltet. Seine Dramaturgie mit den komplex gewebten Intrigen funktioniert auch perfekt über die lange Strecke, weil er uns durch unerwartete Ereignisse immer wieder aufzuschrecken versteht. Die Chemie zwischen Männern und Frauen ist ebenfalls ein faszinierendes Motiv, das sich auf vielfältige Weise durch den Text zieht. Und wie unschuldig ist Hadda wirklich? Diese Frage treibt die attraktive Alva Ozigbo unablässig um.

Reginald Hill liebt seine Figuren, deshalb vermag er auch so scharfe Portraits von ihnen zu zeichnen. Er kennt die Begierden der Menschen und färbt seine Prosa mit der genau richtig abgestimmten Mischung aus Humor und Gewalt, die einen immer auf der Fährte von Hadda und Ozigbo hält. Köstlich sind aber auch die Nebenwege, die der Roman aufwirft und die uns in Reihenhäuser am Stadtrand von London oder in die Kanzleien der Rechtsanwälte in der City führen, die auf ihren breiten Schreibtischen so manche delikate Liaison unterhalten. Leider nimmt aber auch dieser herrliche Kriminalroman einmal ein Ende. Trost kann man sich bei Reginald Hill selbst holen, sein Werk enthält ja noch so manchen Geniestreich, den es zu entdecken gilt.

Reginald Hill: Rache verjährt nicht | Deutsch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann | Suhrkamp Verlag | 686 Seiten, 19,95 Euro

THOMAS LINDEN

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