„Für mich bedeutet eine gute Adaption, dass man den Text respektiert, ihn in einem unerwarteten Moment bricht und ihn vor allem nicht illustriert“, sagt der Zeichner Luz, der den unglaublich erfolgreichen dreibändigen Roman „Vernon Subutex“ von Virginie Despentes als Comic adaptiert. Nun liegt der erste der drei Bände auf Deutsch vor, der vom ehemaligen Plattenladenbesitzer Vernon Subutex erzählt. Früher konnte Vernon mit seinen Kumpels stundenlang über Rockmusik und Gitarrensoli fachsimpeln. Doch die Kumpels sind einer nach dem anderen gestorben, seinen Laden musste er schließlich auch dicht machen. Als auch sein letzter finanzkräftiger Kumpel im Drogenrausch stirbt, muss er die Wohnung räumen. Mit Hilfe einer Notlüge tingelt er fortan als Couch-Surfer von einem Sofa zum nächsten. Dabei lernt er die ganze Bandbreite der Gesellschaft zwischen Islamismusdebatte und Neuer Rechter kennen – und der Leser mit ihm. Luz war von 1992 bis kurz nach dem tödlichen Anschlag auf die Redaktion im Jahr 2015 Charlie Hebdo-Mitarbeiter. Das Attentat hat er nur überlebt, weil er an seinem Geburtstag verschlafen hatte. Mit seinem Comic „Katharsis“ hatte er sich aus dem Trauma gezeichnet, nun hat er wieder den Blick frei für – alles! Luz schöpft zeichnerisch wie erzählerisch aus den Vollen, um das Leben und die (französische) Gesellschaft vor uns auferstehen zu lassen und uns tief in seine Bildwelt hineinzuziehen, die die erzählerischen Möglichkeiten des Comics voll auskostet (Reprodukt).
Matthias Gnehm hat eigentlich Architektur studiert, aber auch schon etliche Comics gemacht, darunter sechs umfangreichere Graphic Novels. Mitunter beschäftigt sich der Schweizer Künstler mit Themen zu Architektur oder Stadtplanung, dann aber auch zu gesellschaftlichen Fragen wie Religion, Nachhaltigkeit, Wirtschaft oder Ethik. Oft tauchen Elemente des Thrillers in seinen Geschichten auf. In seinem neuesten Werk, der hoch- aber kleinformatig in Kalenderbindung angeordneten Geschichte „Gläserne Gedanken“ um einen jungen Vater und Schriftsteller in einer Existenzkrise, erzählt Gnehm auch von Verschwörungstheorien, Ängsten und generationsübergreifenden Ansprüchen und Erwartungen. In detailreicher Schwarzweißmalerei umgesetzt, entfaltet Gnehm einen starken Spannungsbogen (Edition Moderne).
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