Quietschbunt ist nicht immer gleich lustig! „Hör nur, schöne Márcia“ von Marcello Quintanilha tritt den Beweis an: Die Krankenschwester Márcia lebt mit ihrem Freund Aluìso und ihrer Tochter Jaqueline in den Favelas von Rio de Janeiro. Letztere macht dem Paar große Sorgen. Nicht nur, weil sie sehr unfreundlich und aggressiv ist, sondern auch wegen ihres zwielichtigen, kleinkriminellen Freundes. Es kommt, wie es kommen muss, und die beliebte Márcia landet mitten in Gangrivalitäten. Nicht nur durch das sonnige Gemüt von Márcia und ihrem Freund, sondern auch durch die Farbgestaltung, wird das düstere Thema des neuen Comics des Brasilianers Quintanilha, 2022 als bestes Album des Jahres in Angoulême ausgezeichnet, abgefedert, aber in seinem Realismus nicht verwässert. Wie schon bei seinem Comic „Tungstênioeine“ (dt. 2017) fällt auch seine erst irritierende, dann bereichernde Brechung der linearen Erzählung auf (avant verlag).
Man könnte Márcia eine Superheldin nennen, Maja ist sicherlich eine. Die alleinerziehende Mutter nennt sich „M.o.M. – Mother of Madness“. Nach dem Tod der Adoptiveltern landet sie im Trailerpark, bekommt mit 19 einen Sohn und erkennt, dass ihre Periode bzw. die damit einhergehenden hormonellen Veränderungen nicht zu Scham, sondern zu Superkräften führen. Die braucht sie auch, um gegen eine Sekte von Menschenhändlern zu kämpfen … und als Feministin gegen den Machismo in der Gesellschaft. Emilia Clarke (Daenerys Targaryen in Game of Thrones) hat zusammen mit der Autorin Marguerite Bennett („Batwoman“) „M.o.M.“ geschrieben, ebenfalls quietschbunt gezeichnet hat den poppigen Superheldinnen-Comic Leila Leiz (Carlsen).
Ganz klassisch im dezenten Ligne Clair-Stil eines Hergès hat Erik Varekamp „Ich werde Präsident“, den ersten Band der Trilogie „Die Akte Kennedy“, gezeichnet. Das passt auch zeitlich zu der Familienbiografie, die die Kennedys von den 1930ern bis in die 1960er Jahre ins Visier nimmt und die der Autor Mick Peet mittels Übertreibung und leichten Verkürzungen in ein anderes, nicht immer ganz schmeichelhaftes Licht rückt: Dass Joseph P. Kennedy, Vater des zukünftigen Präsidenten John F., den Nazis gegenüber gar nicht so abgeneigt war, zeigt das Originalcover mit Hakenkreuzen, die in der deutschen Ausgabe allerdings eliminiert wurden (Carlsen).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Kunstwerke auf Beton
Street Art Lesung in Köln
Sommerliche Sorgen
Lesung „Der berühmte Tiefpunkt“ in Leverkusen
Auf der Picknickdecke
„Hörspielwiese Köln“ im Stadtgarten
Post aus dem Exil
Lesung „ich lerne: gläser + tassen spülen“ in Bonn
Mal angenommen, dies sei wahr
„Kälte“ von Szczepan Twardoch – Literatur 07/24
Repetitive Einsamkeit
Comics aus der (inneren) Isolation – ComicKultur 07/24
Eine unglaubliche Geschichte
„Die Komponistin von Köln“ von Hanka Meves – Textwelten 07/24
Blicke auf Augenhöhe
„Die Blumenfrau“ von Anne-Christin Plate – Vorlesung 07/24
Warten auf Waffenruhe
„Wann ist endlich Frieden?“ von Elisabeth Raffauf – Vorlesung 06/24
Zeiten(w)ende?
„Gedichte für das Ende der Welt“ von Thomas Dahl – Lyrik 06/24
Allzu menschlicher Sternenkrieg
Annäherungen an Philosoph:innen und Filmemacher:innen – ComicKultur 06/24
Wie bedroht ist die Liebe?
„Reichlich spät“ von Claire Keegan – Textwelten 06/24
Von Pennsylvania in die Welt
„Taylor Swift“ von María Isabel Sánchez Vegara – Vorlesung 07/24
Kollektive Selbstermächtigung
„Be a Rebel – Ermutigung zum Ungehorsam“ von Victoria Müller – Literatur 07/24
Gärtnern leicht gemacht
„Bei mir blüht’s!“ von Livi Gosling – Vorlesung 05/24
Abenteuerferien an der Ostsee
„Am schönsten ist es in Sommerby“ von Kirsten Boie – Vorlesung 05/24