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Coverausschnitt von „Paperboy“
Foto: Presse

Bitter und schön

24. April 2013

Pete Dexters Kriminalroman „Paperboy“ spielt im Zeitungsmilieu – Krimi 03/13

Mit dem National Book Award erhielt Pete Dexter für „Paris Trout“ die bedeutendste literarische Auszeichnung der USA, die jemals für einen Kriminalroman vergeben worden ist. Dabei fand der 1943 in Michigan geborene Journalist nur durch ein an ihm verübtes Verbrechen in die Laufbahn eines Schriftstellers. Während seiner Arbeit als Reporter in Philadelphia war er überfallen und krankenhausreif geschlagen worden. Dexter gab seinen Beruf als Journalist auf. Ein Trauma, das er in seinem Roman „Paperboy“ verarbeitete, der jetzt erstmals in Deutschland erscheint. Einem Mann und einer Frau stößt im Verlauf der Geschichte ein ähnliches Schicksal zu.

„Paperboy“ erzählt von zwei Reportern, die Mitte der 60er Jahre in Florida einen Kriminalfall aufrollen. Im Morgengrauen wird auf einem Highway die ausgeweidete Leiche des Sheriffs Thurmond Call gefunden. Call war selbst ein übler Schlächter, der knapp zwei Dutzend Schwarze getötet hat. Man findet schnell einen Schuldigen, Hillary Van Wetter, einen gewalttätigen Weißen, dessen weit verzweigte Familie in den Sümpfen Floridas lebt. Den beiden Journalisten ist klar, dass van Wetter die Tat nicht begangen haben kann. Ein perfektes Gespann bilden Ward James, der stille, unermüdlich recherchierende Maulwurf, der irgendwann zur Zentralfigur des Romans wird, und Yardley Acheman, der Sonnyboy, den alle Frauen wollen und der über eine begnadete Schreibe verfügt. Zu den dreien stößt Charlotte Bless, die weiß, wie Männer zu beeindrucken sind, und die sich aus der Ferne in Hillary Van Wetter verknallt hat.

Pete Dexter ist kein Genre-Autor. Mit jedem Roman lässt er eine eigene Welt entstehen. Ist es in „Paris Trout“ der amerikanische Süden, wie wir ihn aus dem Werk von William Faulkner kennen, so führt er seine Leser mit „Deadwood“ in den Westen, wie ihn Robert Altman in seinem elegischen Antiwestern „McCabe & Mrs. Miller“ schilderte, oder er zeigt das New York der kleinen Leute in „God’s Pocket“ im Stil eines Heimatfilms von Martin Scorsese. In „Paperboy“ ist es die Zeitungswelt, die Dexter in aller Breite entwirft. Eine Ära, in der Reporter noch für ihre Recherchen bezahlt wurden und dadurch eine Form des Journalismus betrieben, die an der Story interessiert war und nicht auf Infos verkürzt werden konnte.

Dexter bietet aber nicht alleine das Metier, sondern auch eine Epoche, eine Region und einen Erzählton, den er eigens für diese Story entwickelt hat. Zunächst geht es noch gemächlich in einer hübschen Provinzatmosphäre voran. Subtil werden Köder gelegt, wenn die Frauen die Bühne des Geschehens betreten und mit selbstbewusster Erotik ihre ureigenen Machtpotenziale entfalten. Die Idylle erhält bald Risse und Spuren bitterer Gewalt. Aber Dexter muss man einfach folgen, seine Figuren, seine Bilder und seine Welterfahrung sind von einer Dichte und einem Realismus, der so präzise, sexy und schockierend ist, dass er innerhalb der zeitgenössischen Literatur eine unnachahmliche Position einnimmt.

Pete Dexter: Paperboy | Deutsch von Bernhard Robbe | Verlagsbuchhandlung Liebeskind | 320 Seiten, 19,99 Euro

THOMAS LINDEN

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