Städterankings sind in. Nehmen wir zum Beispiel den Vergleich Stuttgart – Köln. Beide Städte begreifen sich als Metropole, was ihre Wirtschaftskraft oder ihr Kulturangebot betrifft. Köln kann mit Karin Beier das „Theater des Jahres“ vorweisen, Stuttgart stellte mit Klaus Zehelein immerhin den Vorsitzenden des Deutschen Bühnenvereins. Beide Städte sind auch in der Bundesliga vertreten. Allerdings: VfB wie 1. FC bewegen sich in der Tabelle ganz unten. In solchen Krisenzeiten melden sich gerne Fans und Vereinsmitglieder zu Wort, um den Vorstand zu kritisieren. Aber vielleicht kann man ja auch gemeinsam den Karren aus dem Dreck ziehen und auch ein Paar Korrekturen an den überkommenen Vereinsstrukturen vornehmen. In Stuttgart hat der Vorstand des „Vereins für Ballspiele“ souverän und sofort auf eine solche Mitgliederinitiative reagiert. Man wird miteinander sprechen. In Köln diffamieren FC-Präsident Wolfgang Overath & Co dagegen die Opposition im Verein. Gemäß dem Leitsatz „Pfründe für Fründe“ gibt es für Overath keinen Dialog mit fc-reloaded. Als „Liga Total“ den Kritikern eine Plattform bot, durfte sich dort kein FC-Spieler mehr zum Interview stellen. „Meinungsfreiheit nach Overathscher Fasson“, kommentierte der „Kicker“. Einst hat sich der ehemalige Nationalspieler mit Hilfe von BILD und dem als „Kölns Sportminister“ hofierten Helmut Haumann (CDU, Rheinenergie) an die Macht geputscht. Demokratische Regularien? Das Parteibuch verpflichtet: Haumanns Nachfolger wurde Fritz Schramma (CDU). Overaths Versprechen zu Amtsantritt sind längst Schnee von gestern. Weder steht der Verein im Europapokal, noch ist er schuldenfrei. Das Minus liegt derzeit bei frischen 25 Millionen.
Kölsche Traditionen
Wenn ältere, kritisch-konservativ geprägte Einwohner unserer Stadt wie der ehemalige Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes (SPD) nach den Vorzügen Kölns gefragt werden, antworten sie in etwa gleich. Die Stadt ist, so exemplarisch Antwerpes, „die Inkarnation des Mittelmaßes“ - und das auf ewig: „Da ändert sich nichts.“ Das macht sich schon an der Sprache fest. Während andernorts von Lobbyismus und Korruption die Rede ist, beschwört man unter dem Dom noch immer augenzwinkernd den „Klüngel“. Mit dem rechnet man dann pro forma im Karneval extrem kritisch ab. Die „kleinen“ Gefälligkeiten machen den Rhein entlang auch nicht an Stadtgrenzen halt. Eine aktuelle Erhebung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC (Pricewaterhouse Coopers) hat herausgefunden, dass die „Kriminalität im öffentlichen Sektor“ NRW-weit deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Vorteilsnahmen und wettbewerbswidrige Absprachen sind dabei der Hit. Nicht verschwiegen werden darf, dass an Rhein und Ruhr auch häufiger kontrolliert wird als anderswo. Nur: man entdeckt einfach nichts. Auch deshalb hat sich der Kölner in diesen Verhältnissen eingerichtet. Der Zustand hat etwas Wunderbares, findet Antwerpes: „Man ist nicht unten, man ist nicht oben, sondern in der Mitte.“ Noch so ein Wort. Überall wird darüber gestritten, wie die Mitte allmählich schrumpft und große Teile von ihr nach unten sacken. Die Mitte wird längst von Ängsten beherrscht. Sie muss sich ändern, um zu überleben. Doch kann Köln auch anders?
Unser aller Begehren
Bürgerbegehren beispielsweise liegen im Trend. Stuttgart war hier Vorreiter. S 21 steht gleich für zweierlei. Einerseits für ein breites bürgerschaftliches Engagement gegen den Bahnhof, andererseits für dessen zynische Befriedung. Heiner Geißler (CDU) hat hier eine Chuzpe bewiesen, zu der nur ein aufgeklärter Christ-/Sozial-/Demokrat in der Lage ist: die grünen und andersfarbigen Schäfchen beschwichtigen und zugleich den Autoritäten zu ihrem Recht zu verhelfen. Kein Wunder, dass sich nach diesem Vorbild jetzt auch die Kölner SPD in Sachen Godorfer Hafen mit dem Wunsch nach einem Bürgerentscheid engagiert. Abgelehnt werden kann die Zerstörung der Sürther Aue nur, wenn sich mindestens 153.000 Kölner gegen den Bau aussprechen. Bei der letzten Kommunalwahl wählten gerade mal 105.000 die SPD, 200.000 stimmten für den OBKandidaten Jürgen Roters (SPD). Da kann man ganz entspannt eine Bürgerabstimmung riskieren, wenn man nur die richtige Formulierung für den Stimmzettel findet.
Das erinnert fast an den 1. FC Köln e.V. Der Verein hat sich eine Satzung gegeben, die es möglich macht, die Mitglieder von allen wesentlichen Entscheidungen fern zu halten. Die Profiabteilung um Podolski & Co ist in eine „GmbH & Co KGaA“ ausgegliedert, deren Aktivitäten von einer 1.FC Köln „VerwaltungsGmbH“ kontrolliert wird. Für soziale Belange ist eine Stiftung zuständig. Das komplizierte Geflecht soll die Haftung des Vereins reduzieren und Schaden abwenden. Beim Blick aufs Personal wird freilich deutlich: die Konstruktion geht zu Lasten der Demokratie. Die Entscheidungen kontrollieren nur drei Personen: Vorstand Wolfgang Overath und seine Kumpel. Sie wählen auch die Personen aus, die sie kontrollieren sollen. Nach Kölscher Tradition durchaus lobenswert: Klüngel pur.
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