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Steuerparadiese liegen näher als man meint
Foto: Netfalls / Adobe Stock

Verfassungsbruch im Steuer-Eldorado

30. April 2024

Teil 2: Leitartikel – Die Reichsten tragen hierzulande besonders wenig zum Gemeinwohl bei

Die Milliardenvermögen sind in den zurückliegenden Jahren um das Dreifache gestiegen, ohne dementsprechend an der Finanzierung von Staatsausgaben beteiligt zu werden.

Für Vermögende und Superreiche ist die BRD ein regelrechtes Steuer-Eldorado. In kaum einem anderen Industriestaat der Erde müssen sie so wenig an den Fiskus abdrücken. Während vor allem kleinere Unternehmen und Durchschnittsverdiener-Familien das Steuersäckel füllen, kommen Großkonzerne und Milliardäre billig davon. So kann man es nachlesen im „Jahrbuch Steuergerechtigkeit 2024“, das kürzlich veröffentlicht wurde. 

Soziales Feigenblatt

Zwar belegt die BRD im globalen Vergleich einen Spitzenplatz, wenn es darum geht, mit Steuern und Sozialausgaben für einen gewissen sozialen Ausgleich zu sorgen; im „Commitment to Reducing Inequality Index“ (übers. etwa: Index zum Engagement für die Verringerung von Ungleichheit) der NGO Oxfam belegt die BRD erfreulicherweise regelmäßig einen der ersten drei Plätze. Solange große Vermögen, Erbschaften und Vermögenserträge – alles leistungslose Einkommen für die angeblichen Leistungsträger der Gesellschaft – nicht entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Staates und seiner Aufgaben herangezogen werden, ist jenes Bemühen um sozialen Ausgleich aber nicht mehr als ein Feigenblatt.

Vor rund dreißig Jahren war die Lage noch eine andere, doch seither haben Regierungen unter der herrschenden neoliberalen Ideologie einander weltweit in einen ruinösen Unterbietungswettbewerb getrieben. Auch in der BRD wurden Superreiche von allen Bundesregierungen – egal ob Rot-Grün, Schwarz-Gelb, Große Koalition oder Ampel – konsequent entlastet.

Nazi-Gesetz

Laut dem Jahrbuch Steuergerechtigkeit zahlt ein typischer Mustermillionär 21 Prozent Steuern. Das ist nur knapp die Hälfte des Reichensteuersatzes von 45 Prozent, der jedoch nur auf Einkommen erhoben wird, also nicht auf Vermögen. Noch irrer wird die Sache bei Immobilienmilliardären. Ist das Geld in profitablen Bestandsimmobilien geparkt, zahlen sie mit knapp 17 Prozent sogar noch weniger. Beihilfe leistet hierbei übrigens ein Gesetz aus der Nazi-Zeit: Um Investitionen in den Wohnungsbau zu fördern, können Wohnungsunternehmen sich von der Gewerbesteuer befreien lassen und zahlen damit nur Körperschaftssteuer und Solidaritätszuschlag. Ob sie dann tatsächlich Wohnungen bauen, ist völlig unerheblich für den Steuerbonus.

Es ließen sich noch etliche weitere, völlig absurde Beispiele anführen, wo Superreiche kaum oder gar nicht zur Kasse gebeten werden, während die eigentliche Last zur Finanzierung des Staates von denen ohne Vermögen gestemmt wird, zunehmend auch durch Verbrauchssteuern, die Arme erheblich mehr belasten als Reiche. Wenn aber die starken Schultern nicht tragen, wozu sie leicht im Stande wären, dann ist das Resultat folgendes: Einerseits sind die Werte von Bestandsimmobilien und Unternehmensaktien in die Höhe geschossen – erinnert sei allein an die rund 200-prozentige Wertsteigerung der Aktie des Waffenherstellers Rheinmetall seit der sogenannten Zeitenwende, ohne dass eine Übergewinnsteuer von der Bundesregierung auch nur in Erwägung gezogen würde. 

Andererseits sind Investitionen in den privaten und öffentlichen Sektor sträflich versäumt worden.

Verfassungsbruch

Angesichts des Grundgesetzes, wo es heißt: „Eigentum verpflichtet“, stellt die Entlastung von Vermögenden und Superreichen einen permanenten, aber offensichtlich politisch gewollten Verfassungsbruch dar. Und den bekommen Gering- und Normalverdiener jeden Tag u.a. am desolaten Zustand von Deutscher Bahn, Verkehrsinfrastruktur, Gesundheits- sowie Bildungswesen zu spüren.

Bernhard Krebs

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