choices: Herr Krems, wer kommt eigentlich für die sog. verlorenen Kosten auf, wenn sich eine Stadt wie Köln bei baulichen Planungen rechnerisch und/oder politisch verkalkuliert wie im Fall der Bühnensanierung?
Burkhardt Krems: Zahlen muss am Ende der Bürger als Steuer- und Gebührenzahler.
Demokratie kostet also ...
Entscheidungsprozesse kosten immer Geld. Aber wenn man es richtig anfängt und alle einbezieht, die zur Lösung beitragen können, lassen sich die Kosten in Grenzen halten. Hier läuft in Köln manches schief.
Spielen die „verlorenen Kosten“ in der Fachdiskussion deshalb eine so große Rolle?
Die sogenannten verlorenen Kosten heißen ja so, weil sie Resultat einer falschen oder überholten Planung und nicht mehr zu ändern sind. Man kann sie nicht einfach anderen Projekten oder Vorschlägen zuordnen. Die Kölner Verwaltung hat das aber getan – zu Lasten der Bürgerinitiative. Hier wird ein grundsätzlicher Fehler des Verfahrens deutlich.
Gibt es so etwas wie eine Haftung für solche rechnerischen Fehler der Verwaltung?
Nein, denn letztlich steht ja eine politische Entscheidung am Ende des Verfahrens. Aber solche Fehlkalkulationen schaffen „Sachzwänge“ für zukünftige Haushalte.
Stichwort Bühnenetat. In manchen Städten ist es im Rahmen des Gebäudemanagements üblich, in einem Sanierungsfall die Etats der betroffenen Dezernate oder Institute entsprechend zu belasten.
Diesen methodischen Ansatz halte ich für falsch. Man kann solche Beträge nicht auf Jahrzehnte auf einen Theateretat überwälzen. Der Sanierungsbedarf der Kölner Bühnen war ja seit langem bekannt, aber im politischen Raum hat sich nichts getan. Aufgabe eines Theaters ist nicht die Gebäudewirtschaft, sondern Theater zu spielen. Das muss es auch in Zukunft tun können, ohne für die Kosten politischer Entscheidungsprozesse verantwortlich gemacht zu werden.
Liefe das nicht auf eine Trennung der Verantwortung für Spielort und Ensemble hinaus?
Aufgabe der Stadt ist es aktuell erst einmal, ein Haus für die Theater zu vernünftigen und nachvollziehbaren Kosten zu erhalten. Wie es dann betrieben wird, ist eine andere Frage.
Welche Rolle spielt für die Stadtverwaltung bei Projekten wie der Bühnensanierung der externe Sachverstand?
Hier hat man bisher eine große Chance vertan. Es gibt in unserer Stadt eine Vielzahl qualifizierter und engagierter Bürger. Im Falle der Bühnensanierung mussten sie der Stadt ihren Sachverstand ja regelrecht aufdrängen. Nicht zu vergessen das Internet: es ermöglicht eine breite und verständliche Information zu allen wichtigen, die Stadt betreffenden Problemen. Bisher wird das nur punktuell genutzt.
Gefragt wäre eher ein regelmäßiger bürgerschaftlicher Dialog?
Ja, aber dafür muss sich die politische Kultur ändern. Ein Dialog macht erst Sinn, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Es sollte immer um genau umrissene Probleme und längerfristige Ziele gehen. Wenn die Fragestellung ins Ungefähre geht wie bei der Diskussion um das „Leitbild 2020“, wird es weder eine größere Beteiligung noch ein überzeugendes Resultat geben. Die Autoren des „Masterplans“ haben da sehr viel konkreter nachgefragt – das war allerdings keine Leistung von Politik und Verwaltung.
Es gibt auch in Verwaltungen seit längerem die Methode des Kontraktmanagements.
Diese Praxis geht in die richtige Richtung. Schauen Sie in die Schweiz und nach England. Dort gibt es eine andere Planungskultur, die die Bürger sehr früh einbezieht, Ziele definiert und alternative Entwürfe zur Umsetzung vorstellt. Daraus entwickelt sich meist ein breiter gesellschaftlicher Konsens. Letztlich verkürzen sich dadurch auch die Planungszeiten für Großprojekte wie den Gotthard-Tunnel.
Kommen wir noch einmal auf den städtischen Haushalt zurück. Er gilt auch vielen Politikern als kompliziert und kaum durchschaubar. Welche Möglichkeiten gibt es, ihn transparenter und vor allem durchschaubarer zu machen?
Die Politik verliert sich zu sehr im Detail und folgt einer falschen Logik. Die
Kameralistik ist als Leitbild noch immer in den Köpfen, man denkt in Einnahmen und Ausgaben. Dabei gibt es die Instrumente für eine bessere Steuerung. Man muss allerdings Transparenz als neue Qualität der politischen Steuerung wollen, und das zugehörige Rechnungswesen muss stimmen. Man muss strategisch und im besten Sinne politisch handeln wollen: mit Fakten unterlegte und überprüfbare Wirkungsziele benennen, zu ihrer Umsetzung auf intelligente „wirtschaftliche“ Maßnahmen zurückgreifen, Managementverantwortung vor Ort forcieren. Es gibt in Europa und weltweit genug Beispiele, die zeigen, wie man mit weniger Ressourcenverbrauch mehr erreicht – das ist übrigens ein Motto aus dem Jahr 1993. Auch der Bürgerhaushalt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Diese Mitsprache der Bürger muss man ausbauen.
Links zum Thema:
www.olev.de – Seite des Online-Verwaltungslexikons
www.mutzukultur.de – Plattform für das Bürgerbegehren gegen den Neubau des Kölner Schauspielhauses
www.buergerbegehren.de – Online-Informationsstelle für alles rund um Bürgerbegehren
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