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Noch hat sie gut lachen: Karoline Herfurth als Jüdin bei der NS-Olympiade 1936

"Von der Lust am Lernen und der Liebe zum Kino"

01. September 2009

Karoline Herfurth über "Berlin 36", ihre Faszination für die Schauspielerei und ihre Interesse an der Sozialwissenschaft - Roter Teppich 09/09

Als Mitglied einer Tanztheatergruppe in Berlin wurde die 1984 ebenda geborene Karoline Herfurth im Alter von elf Jahren von einem Talentscout entdeckt. Ihr Kinodebüt im Jahr 2000 war direkt ein großer Publikums- und Kritikererfolg: „Crazy“ von Hans-Christian Schmid nach dem Roman von Benjamin Lebert. Auch mit „Mädchen, Mädchen“ (2001) und dessen drei Jahre später entstandener Fortsetzung konnte Herfurth weitere Erfolge für sich verbuchen. In Tom Tykwers internationaler Großproduktion „Das Parfüm“ nach dem als unverfilmbar geltenden Roman von Patrick Süskind fiel sie in der kleinen, aber nachhaltigen Rolle des Mirabellenmädchens auf. Spätestens mit ihrer Hauptrolle in Caroline Links „Im Winter ein Jahr“, der ihr den Bayerischen Filmpreis als beste Nachwuchsdarstellerin und den Preis der deutschen Filmkritik als Schauspielerin des Jahres einbrachte, ist Karoline Herfurth zu einer der vielversprechendsten jungen Darstellerinnen hierzulande herangereift. Nach einem Kurzauftritt in Stephen Daldrys „Der Vorleser“ spielt sie nun in Kaspar Heidelbachs „Berlin 36“ die jüdische Hochspringerin Gretel Bergmann, die es in die Qualifikation bei der berüchtigten Olympiade während der NS-Zeit schaffte.

choices: Frau Herfurth, sind Sie selbst auch sportlich aktiv oder fiel es Ihnen dahingehend eher schwer, sich in die Rolle der Gretel Bergmann einzufinden?
Karoline Herfurth: Hochsprung war eine völlig neue Disziplin für mich. Grundsätzlich treibe ich allerdings auch privat mit Leidenschaft Sport.

Mussten Sie für den Film einen speziellen sportlichen Trainingsplan einhalten?
Ich habe ca. anderthalb Monate unter der Anleitung von Klaus Baer im Sportforum Berlin für den Hochsprung trainiert und musste natürlich auch während des Drehs die Kondition halten, also bei jeder Gelegenheit trainieren.

Sind Sie auf den unglaublichen Fall der Marie Ketteler erst während der Produktionsvorbereitungen aufmerksam geworden oder hatten Sie schon zuvor davon gehört?
Nein, ich habe von dieser unglaublichen Geschichte vorher noch nichts gehört und bin somit genauso überrascht gewesen, zu erfahren, mit welchen Mitteln das nationalsozialistische Regime zu verhindern versucht hat, eine Jüdin gewinnen zu lassen, um so seine unmenschliche Rassenideologie mit aller Anstrengung aufrecht zu halten.

Die echte Gretel Bergmann lebt noch. Hatten Sie die Chance, sie persönlich kennen zu lernen?
Ja, ich hatte das Glück und die Ehre, sie dieses Jahr in New York kennenzulernen. Und es war eine außergewöhnliche und ganz besondere Begegnung, die mir viel bedeutet.

Bereitet man sich auf eine Figur mit realem Vorbild intensiver vor als auf andere?
Die größte Herausforderung stellt für mich bei der Darstellung einer realen Person die Recherche dar. Um eine wahre Geschichte zu erzählen, möchte ich möglichst authentisch sein, um keine falsche Interpretation eines Menschen zu zeigen. Die Autobiografie von Gretel Bergmann war dabei eine große Hilfe. Intensiver würde ich allerdings nicht sagen. Nur anders.

Sie haben dieses Jahr für „Im Winter ein Jahr“ den Preis der deutschen Filmkritik als beste Darstellerin erhalten. Wie wichtig sind Ihnen denn Filmkritiken?
Kritik kann sehr hilfreich sein, wenn sie objektiv und sachlich ist. Derartige Kritik finde ich sehr wichtig und wertvoll. Ich bin daher sehr stolz auf diesen Preis und glücklich darüber, so eine hohe Anerkennung ausgesprochen bekommen zu haben.

Im Vergleich zu anderen Stars Ihrer Generation fällt auf, dass Sie Ihre Rollen sehr bewusst auszuwählen scheinen. Lehnen Sie viele Angebote mangels Qualität ab?
Es gibt sicherlich Bücher, die ich ablehne, weil ich mich mit ihnen nicht identifizieren und sie damit nicht erzählen kann. Ich habe aber einfach auch das große Glück, wirklich schöne Stoffe angeboten zu bekommen.

Sie haben Theater gespielt und eine klassische Schauspielausbildung absolviert. Was ist für Sie das Faszinierende am Beruf des Schauspielers?
Ich liebe das Geschichtenerzählen. Ich liebe es, herauszufinden, wie Geschichten und Menschen gebaut werden und dargestellt werden können. Das ist eine tolle Aufgabe. Und ich liebe das Kino und den Film an sich. Ich empfinde es als großes Glück, ein Teil von einer bewegenden Geschichte sein zu können. Ich finde es sehr spannend, welche unterschiedlichen Erzählweisen für das Theater und den Film gelten.

Sie studieren derzeit in Berlin auch noch Sozialwissenschaft. Haben Sie das Bedürfnis nach einem zweiten beruflichen Standbein, oder was ist dafür Ihre Motivation?
Meine Motivation ist zuallererst die Lust am Lernen. Ich finde die Soziologie und die Politik sehr wichtige und interessante Themen, über die ich mehr wissen wollte. Es macht mir außerdem Spaß, Student zu sein und in Vorlesungen und Seminaren zu sitzen. Bildung ist ein Privileg, und ich habe die Chance, dieses zu nutzen. Warum also sollte ich es nicht tun? Ob sich daraus ein zweites berufliches Standbein entwickelt, kann ich nicht sagen. Es ist jedenfalls nicht mein Ziel. Zuallererst bin ich Schauspielerin, und ich möchte es bleiben. Ich liebe diesen Beruf. Ich weiß nur nicht, ob ich das mit 50 immer noch sage. Vielleicht habe ich irgendwann das Bedürfnis, mich aus diesem Beruf zurückzuziehen. Wer weiß das jetzt?

Ihr Diplom haben Sie zum Diskurs von Nacktheit in der Öffentlichkeit abgelegt. Wie ist Ihre eigene Einstellung dazu hinsichtlich Ihrer Filmrollen?
Das ist ein weites Feld. Grundsätzlich finde ich Erotik im Kino eine spannende Sache. Ich kann mich nur nicht mit dem inflationären Gebrauch von Nacktheit anfreunden. Ich finde geheimnisvollere Erotik, die mehr Fantasie erlaubt, spannender. Es kommt immer darauf an, was Nacktheit erzählen soll und wie sie eingesetzt wird.

FRANK BRENNER

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