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Muss einen schrecklichen Verlust verschmerzen: Luna Wedler in „Je suis Karl“
Foto: Presse

„Der Klimawandel macht mir Angst“

02. September 2021

Luna Wedler über „Je suis Karl“ – Roter Teppich 09/21

Die 1999 in Zürich geborene Luna Wedler ist bereits eine der vielversprechendsten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum. In Filmen wie „Blue My Mind“ oder „Das schönste Mädchen der Welt“ hat sie erstmals auf sich aufmerksam gemacht, 2018 war sie auf der Berlinale European Shooting Star. Zuletzt sah man sie im Kino in „Auerhaus“ und „Dem Horizont so nah“ und bei Netflix in der Serie „Biohackers“. Ihr neuer Film „Je suis Karl“ unter der Regie von Christian Schwochow läuft am 16. September in den Kinos an.

choices: Frau Wedler, Sie gehören einer Generation an, die insgesamt wesentlich politischer ist als die Vorgängergeneration. Würden Sie sich auch als politischen Menschen bezeichnen?

Luna Wedler: Ich würde mich schon als politischen Menschen bezeichnen, aber ich kenne mich weniger gut mit den Fakten und den Programmen der verschiedenen Parteien aus. Ich bin ein angehender politischer Mensch mit einer Haltung, aber die geht eher von meinem Herzen aus. Aber in Diskussionen um Zahlen und Fakten könnte ich nicht mitreden. Als Schauspielerin habe ich ja das Glück, dass ich mich mit meinen Filmen politisch äußern kann. Ich selbst fühle mich noch nicht bereit, einfach Dinge oder Sachen zu posten, weil ich die Hintergründe oftmals nicht gut genug kenne, weil ich mich darüber noch nicht ausreichend informiert habe. Wenn ich Aussagen mache, möchte ich auch wirklich wissen, was ich da sage. Das sollten viele junge Menschen so handhaben und nicht einfach Dinge posten oder reposten, sondern wirklich wissen, was sie da tun. Aber es stimmt, dass junge Menschen mit ihren Ansichten mittlerweile auch eine unglaubliche Wucht haben.

Was glauben Sie, ist der Grund für diesen Trend, dass junge Menschen wieder mehr Stellung beziehen?

Man kann nur hoffen, dass es nicht nur ein Trend ist. Social Media haben ganz viele positive Aspekte, man muss nur wissen, wie man diese nutzt. Aber es stimmt schon, dass es für viele auch eine Art Trend ist; wenn sie sehen, dass jemand etwas gepostet hat, dann posten sie es ebenfalls. Natürlich gibt es aber auch sehr viele junge Leute, die tatsächlich etwas tun und die auch ganz genau wissen, wovon sie reden. Deswegen sage ich auch immer wieder anderen jungen Leuten: Glaubt nicht alles, was ihr lest, sondern fangt selbst an zu recherchieren! Man sollte auch genau hinschauen, von welcher Zeitung, von welcher Quelle ein Artikel stammt. Man muss erkennen, dass es um wirklich wichtige Themen geht, die man ernsthaft behandeln muss.

Maxi sagt im Film, dass sie Angst hat. Was macht Ihnen Angst?

Wir leben im Moment in einer sehr extremen Welt. Ich weiß zwar, dass in allen Zeiten immer politische Probleme vorhanden waren, aber ich habe das Gefühl, dass im Moment alles in sich zusammenfällt, vor allem, wenn es um unsere Heimat, unsere Welt geht. Ich würde sagen, dass mir der Klimawandel Angst macht. Und es macht mich einfach wütend, dass das ein paar Leute noch immer nicht einsehen oder die Lage kleinreden wollen. Hier geht es um unsere Zukunft, das ist der einzige Planet, den wir haben! Ich finde es egoistisch und verantwortungslos, wenn Leute das noch immer leugnen oder nicht ihren Beitrag dazu leisten, was man gegen den Klimawandel machen kann.

„Wer gibt schon Christian Schwochow einen Korb?“

Jannis Niewöhners Ausstrahlung ist essenziell für seine Rolle als charismatischer Verführer. War er privat auch so ein Charmeur?

Ich mag Jannis privat wirklich sehr! Er ist einer der liebsten, humorvollsten, witzigsten Menschen, die ich kennenlernen durfte, mit einem großen Herz. Beim Dreh war er auch immer für mich da. Wie er Karl darstellt, ist unglaublich authentisch und gut. Er hat eine wahnsinnige Aura und Ausstrahlung. Schon bei den Proben haben wir gemeinsam eine der Schlüsselszenen gespielt, in der Karl Maxi erklärt, was heutzutage links, was rechts ist. Bei seinem kleinen Monolog musste ich die Szene abbrechen und habe zu Christian Schwochow (dem Regisseur; die Red.) gesagt, dass er mich jetzt schon in seinen Bann geschlagen habe. Ich weiß, dass es für Jannis nicht immer einfach war, in diese Rolle hineinzuschlüpfen, weil sie auch sehr böse Elemente hat. Aber letztendlich ist Karl auch jemand, der nach Liebe und Nähe sucht. Ein sehr komplexer Charakter, aber Jannis hat das unglaublich toll gemacht.

Sie wollten die Rolle ursprünglich gar nicht spielen. Was war der Grund dafür?

Als mir die Rolle zum ersten Mal angeboten wurde, war ich noch jünger. Ich habe nun im Nachhinein viel darüber nachgedacht, warum ich damals abgelehnt habe – wer gibt schon Christian Schwochow einen Korb? (lacht) Ich glaube, es war eine Angst, weil ich – wie erschreckenderweise sehr viele – fast nichts über das Thema wusste. Ich habe mir die Rolle damals einfach nicht zugetraut, ich hatte Angst, der Figur nicht gerecht zu werden. Aber ich bin so dankbar, dass uns die Wege so schicksalhaft wieder zusammengeführt haben. Als ich „Auerhaus“ mit Frank Lamm zusammen drehte, dem Kameramann von Christian Schwochow, sind wir dann wieder ins Gespräch gekommen. Und dann habe ich sehr schnell gemerkt, dass ich die Rolle unbedingt spielen möchte.

Was war dann beim Dreh das Schwierigste oder Herausforderndste für Sie?

Viele glauben, das Schwierigste wäre, in diese Trauer hineinzufallen. Maxi steht mir aber sehr nahe, deswegen konnte ich diese Trauer sehr gut nachvollziehen und spüren. Mit am schwierigsten fand ich den ersten Drehtag, als wir meine französische Rede aufgenommen haben, vor 300 Leuten im Publikum! Nicht nur, dass es auf Französisch war, sondern auch, weil in dieser Rede alles aus Maxi herausbricht. Das war nicht einfach. Ebenso die Szene, in der Maxi erfährt, dass ihre Familie tot ist. Die Szene wurde an meinem Geburtstag gedreht, und ich wusste selbst nicht so genau, was da passieren wird. Ich habe sehr darauf vertraut, dass Maxi in mir steckt. Das Schreien und das wütende Herumwerfen von Dingen kam dann tatsächlich aus ihr heraus.

Obwohl Maxi schnell Zweifel an den Zielen der Gruppe kommen, ist sie schließlich doch sehr angetan von deren Radikalität. Warum glauben Sie, entwickelt sie sich so?

Wie handeln wir oder was tun wir, wenn wir unsere Liebsten verlieren? Ich glaube, dass von der Gruppe ihre Trauer und ihr Verlust einfach sehr stark ausgenutzt werden. Maxi ist aber meiner Meinung nach kein Opfer, sondern sie ist – im Gegensatz zu ihrem Vater – sehr wütend und möchte Antworten. Daraufhin begibt sie sich auf eine gefährliche Reise mit gefährlichen Leuten, die ganz genau wissen, wie man eine junge Frau, die das durchlebt, manipulieren kann. Und dann ist da dieser Karl, der ihr eine Nähe und Liebe gibt, die sie sonst von niemandem bekommt. Das wird dann sogar zu einer ganz eigenen Liebesgeschichte. Wenn man an seinem tiefsten Punkt ist und es jemanden gibt, der einem Antworten liefert, dann hält man sich daran fest.

„Ich bin ein ganz großer Kinoliebhaber“

Sie drehen auch fürs Fernsehen und die Serie „Biohackers“ des Streamingdiensts Netflix. Nun haben Sie eine Instagram-Story über Sophie Scholl realisiert. Achten Sie bei Angeboten darauf, für welches Medium diese entstehen sollen?

Bei Sophie Scholl war es für mich zunächst einmal die Ehre, diese darstellen zu dürfen, auch gerade in diesem tollen, neuen Instagram-Format. Man kann den Leuten damit Sophie Scholl auf eine ganz andere Art über einen längeren Zeitraum nahebringen. Außerdem hat mir gefallen, Sophie Scholl sowohl als Heldin und Widerstandskämpferin, aber auch als junge Frau mit ganz vielen Facetten und Unsicherheiten zeigen zu können. Ansonsten schaue ich bei Angeboten eigentlich nicht nach dem Format, sondern es geht mir in erster Linie um die Geschichte und die Rolle. Wo etwas ausgewertet wird, ist dabei für mich zweitrangig. Aber ich bin ein ganz großer Kinoliebhaber, und es ist das Schönste für mich, einen Film auf der Kinoleinwand zu sehen, nur dort kann er meiner Meinung nach seine magische Wirkung entfalten. Ich bin schon ein Kino-Girl. (lacht)

Gleich zu Beginn verkleidet sich Maxi, um auf der Straße nicht erkannt zu werden. Können Sie selbst noch unerkannt durch ihre Heimatstadt Zürich oder Berlin laufen?

Seit von „Biohackers“ die zweite Staffel herausgekommen ist, werde ich in Zürich schon häufiger erkannt, in Deutschland ebenso. Aber nicht auf eine unangenehme Weise, es ist meistens schön. Wenn man feiern geht, ist es nicht so toll, da wäre ich dann gerne manchmal unsichtbar. (lacht) Aber meiner Meinung nach ist das eine schöne Anerkennung für das, was man macht. Was ich nicht schön finde, ist, wenn man mich heimlich filmt. Aber wenn man auf mich zukommt und fragt, finde ich das nicht schlimm.

Interview: Frank Brenner

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