Das Verbrechen ist in der Stadt allgegenwärtig. Keine Buchhandlung ohne Krimi-Ecke – die sogenannte Spannungsliteratur macht schließlich knapp 30 Prozent des Angebots aus. Dazu gibt es Hörbücher und DVDs. Nicht zu vergessen die einschlägigen TV-Serien.Insgesamt fasziniert den Konsumenten eine früher nie gekannte Breite von krimineller Energie. Die Genre-Palette reicht von dem schlichten „Wer hat’s getan“ bei Agatha Christie oder Edgar Wallace über die Hard Boiled Veteranen Chandler & Hammett und die schwarzen Serien um die Loser am Rand der Gesellschaft bis zu den Schlitzer-Stories à la Hannibal Lector und den Einführungen in die Gerichtsmedizin bei den diversen Variationen von CSI. Dazwischen haben die Regionalkrimis Platz – sehr beliebt die Eifel und der ARD-Tatort wie die ZDF-Lokalermittler – nicht zu vergessen die endlosen Folgen um „Crime, Cars, Accident“ bei RTL. Der Fan und Krimi-Liebhaber kann bei der Aufklärung sogar selbst aktiv werden. Es gibt in Köln und anderswo jede Menge Krimi-Touren und Krimi-Dinner für Hobby-Ermittler. Ob im Veedel beim „Brauhaus-Krimi“ oder beim „Mord in Ehrenfeld“, ob bei der Jagd nach dem Innenstadt-Mörder oder beim natürlich leckeren Murder Mystery Dinner, überall gilt es Rätsel zu lösen, eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen und den Mörder zu fangen.
Der Mord vor Ort
Wenn es um Verbrechen geht, müssen es nicht mehr exotische Tatorte sein. Dem Marketing wie dem Nervenkitzel dient das Bewusstsein, der Mörder könnte gleich um die Ecke im Veedel wohnen. Selbst der Dom schaut gleich ganz anders zurück, wenn man hinter seinen Mauern dunkle Machenschaften wittert. Diesen touristischen Blick auf die Dinge hat Donna Leon erfolgreich gemacht. Ihre Geschichten leben von einem fiktiven Venedig, wie es sich die Leon-Leser auf ihren Bildungsreisen auch selbst zurechtbasteln. Der Italiener erkennt den Fake, vielleicht hat die Autorin deshalb eine Übersetzung ihrer Werke ins Italienische verboten. Die Paris-Krimis von Leo Malet ergänzte der deutsche Verlag schon in den 1980ern mit Touren durch die einschlägigen Viertel. Heute sind die hiesigen Regionalkrimis Legion geworden, seitdem das Buch „Tödlicher Klüngel“ von Christoph Gottwald 1984 den ersten Aufschlag machte. Doch immer noch gilt: bessere Krimis müssen etwas mehr vorweisen als den lokalen Bezug und einschlägige Straßennamen.
Der Mörder ist auch längst nicht mehr immer der Gärtner. Über das „Warum“ wird ab und an noch gestritten – da hilft keine schwarze Serie. Bestseller-Autorin P.D. James beispielsweise findet wie andere auch, dass die niederen Stände einfach nicht genug hergeben für die Literatur. Jemand, „der von Natur aus gewalttätig ist“, meint sie, ist weniger ergiebig als ein „gebildeter, moralisch scheinbar gefestigter Mörder aus der Mittelschicht“. Das hat was. Schon Ödipus, der seinen Vater umbrachte und mit seiner Mutter schlief, kam schließlich aus gutem Hause.
Regionale Identitäten
Auch im wirklichen Leben ist die Welt der oberen Schichten nicht ohne. Nicht nur wegen der Machenschaften der Banker, deren Tun ein hoher EU-Beamter eben als Teil der organisierten Kriminalität gebrandmarkt hat. Von „Systemkriminalität“ redet man in diesen Kreisen so offen sonst nur bei der richtigen Mafia. Dann gibt es da den Fall Maschmeyer, in den der Bundespräsident, Ministerpräsidenten und Minister, ein Ex-Bundeskanzler, die BILD-Zeitung und viele Reiche & Schöne verstrickt sind. Von diesen hannoverschen Verhältnissen können die hiesigen Klüngelhelden nur träumen – einen ehemaligen Oberstadtdirektor und eine inzwischen von der Deutschen Bank zwangsweise gerettete Privatbank vielleicht ausgenommen. Oder: die Affäre um den landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB), bei dem gleich flächendeckend gezockt wurde: in Köln beim Bau des Polizeipräsidiums in Kalk und bei der geplanten Verlegung der Fachhochschule von Kalk in die Südstadt. Oder Man Ki Kim, der „dubiose Investor aus Korea“, der in Bonn angeblich das World Conference Center (WCC) bauen wollte. Oder die Kunstfälschungen des Kölner Ehepaars Beltracchi, das über ein Jahrzehnt ihre nachgemachten Bilder über Lempertz und andere Auktionshäuser versteigern konnte, ohne dass es, auch dank echter „Fachexpertisen“, jemandem auffiel. Dagegen wirken die Plagiate des Freiherren KTG geradezu niedlich – immerhin kann man hier studieren, wie erfolgreich dauerhafte Hochstapelei funktioniert. Wie schon im Märchen „Des Königs neue Kleider“ wollen Fans und Hofstaat nicht merken, dass der Herrscher schon nackt ist. Die Liste der Nachrichten aus der „High Society“ ließe sich beliebig verlängern, etwa um Geschehnisse im einstigen Golfklub der örtlichen Sparkasse. Deshalb der Tipp: Über dem Krimi nicht das Zeitunglesen vergessen.
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