choices: Herr Sarrazin, wie kommt man eigentlich zum Krimi?
Manfred Sarrazin: Viele Heranwachsende entdecken zwischen zehn und zwölf die Klassiker der britischen Häkelschule mit Agatha Christie an der Spitze. 14-Jährige lesen lieber Fantasy oder Horror à la Stephen King. Zu Krimis greifen erst wieder junge Erwachsenen ab 18, 20 Jahren. Der Einstieg läuft dann über Hard-Boiled-Klassiker wie Hammet oder Chandler, bei politisch Interessierten häufig über Eric Ambler.
Und Ihre Leser-Biografie?
Als ich 1990 den Krimibuchladen Alibi gründete, prägte mich und die Fan-Szene drum herum die US-Avantgarde. Was damals aus den Staaten kam, fanden wir unfassbar spannend. Joseph Wambaugh hat mit „Die Chorknaben“ den Noir-Roman in L.A. eingeführt. Viele Krimi-Autoren begannen, wie Journalisten zu recherchieren. Die Kenntnisse, wie Polizei funktioniert, wurden immer größer. Es gab Autoren wie Elmore Leonard oder Ross Thomas, James Ellroy, Jerry Oster oder Larry Beinhart, die damals auch nach Köln kamen.
1991 kam dann das „Das Schweigen der Lämmer“ in die Kinos.
Die Romanvorlage von Thomas Harris war da schon länger und unbemerkt auf dem Markt. Mit dem Film setzte der Hype um die Profiler- und Serienmörder-Krimis ein. Die Polizeiarbeit wurde aufgefächert. Patricia Cornwall entdeckte die Gerichtsmedizin, Jeffrey Deaver die Spurensicherung. Inzwischen sind nicht mehr die Bücher so prägend, eher die Fernsehserien wie „24“ oder „The Wire“ und „The Shield“. Sie erzählen große komplexe Geschichten und bauen die Kriminalitätsarchitektur ganzer Städte nach.
Trotzdem boomt der Buch-Krimi.
Vor allem der aus Skandinavien um Wallander & Co. Seit einigen Jahren ist auch der Krimi aus deutscher Feder sehr erfolgreich, das war vor zehn Jahren undenkbar. Die deutschen Krimis sind zweifellos professioneller und besser geworden.
Ihr ganz persönlicher Favorit unter den Autoren?
James Ellroy. Er hat die geniale Idee gehabt, wahre Geschichten zu erzählen, über die in den 50ern und 60ern noch niemand schreiben konnte oder wollte. Etwa die Tatsache, dass Marilyn Monroe schon mit JFK im Bett war, als der noch nicht Präsident der USA war. Oder dass Frank Sinatra sie ihm zugeführt hat. Ellroy wird man noch in hundert Jahren lesen, weil er einfach gut ist.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Krimi-Zone Köln
Verbrechen zahlen sich aus - Etwas außerhalb der Legalität geht immer –THEMA 04/11 CRIME AND THE CITY
Von Profi zu Profi
Katharina Schweitzer über Köln, Mülheim, Kochen & Krimis in den Romanen von Brigitte Glaser – Thema 04/11 Crime and the City
Das Leben ist hart
Judith Krieger über Polizeiarbeit, Feminismus und Mord in den Romanen von Gisa Klönne – Thema 04/11 Crime and the City
Kein Starkbier für Köln
Christel Steinmetz über Mord & Totschlag, den 1. FC Köln, den FC Bayern München und die Eifel – Thema 04/11 Crime and the City
„Mehr Umsatz, mehr Gesundheit“
Teil 1: Interview – Unternehmer Martin Gaedt über die Vier-Tage-Woche
„Das kann man mit keiner Gerechtigkeitstheorie erklären“
Teil 2: Interview – Historiker Marc Buggeln über Steuerpolitik und finanzielle Ungleichheit in Deutschland
„Die Gesellschaft nimmt diese Ungleichheiten hin“
Teil 3: Interview – Soziologe Klaus Dörre über Armutsrisiken und Reichtumsverteilung
„Psychische Erkrankungen haben nichts mit Zusammenreißen zu tun“
Teil 1: Interview – Psychologe Jens Plag über Angststörungen
„Nicht nur ärztliche, sondern auch politische Entscheidung“
Teil 2: Interview – Psychiater Mazda Adli über Ängste infolge des Klimawandels
„Das Gefühl, dass wir den Krisen hinterherjagen“
Teil 3: Interview – Miriam Witz von Mein Grundeinkommen e.V. über Existenzängste und Umverteilung
„Sport wird instrumentalisiert, um positive Emotionen zu empfinden“
Teil 1: Interview – Sportpsychologin Jana Strahler über Sportsucht
„Ausstrahlung ist mehr als die äußere Erscheinung“
Teil 2: Interview – Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen über Schönheitsoperationen
„Schönheit ist ein zutiefst politisches Thema“
Teil 3: Interview – Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner über Schönheitsdruck
„Meine Freiheit als Rezipient wird vergrößert“
Teil 1: Interview – Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich über Triggerwarnungen in Kunst und Kultur
„Wie eine Allergie, die keine ist“
Teil 2: Interview – Allergologin Petra Zieglmayer über den Umgang mit Histaminintoleranz
„Solche Tendenzen sind nicht angeboren“
Teil 3: Interview – Sozialpsychologin Fiona Kalkstein über Autoritarismus und Demokratiefeindlichkeit
„Problematisch, wenn sich Kritik auf Demokratie an sich richtet“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Sven T. Siefken über den Zustand der Demokratie
„In ihrer jetzigen Form hat Demokratie keine Zukunft“
Teil 2: Interview – Soziologe Robert Jende über eine Politik jenseits von Parteizugehörigkeit
„Viele Menschen haben das Gefühl, sie werden nicht gehört“
Teil 3: Interview – Medienforscherin Dorothée Hefner über Vertrauen in politische Berichterstattung
„Gier ist eine Systemeigenschaft im Finanzsektor“
Teil 1: Interview – Soziologe Sighard Neckel über Maßlosigkeit im Kapitalismus
„Die Klimakrise rational zu begreifen reicht nicht“
Teil 2: Interview – Neurowissenschaftler Joachim Bauer über unser Verhältnis zur Natur
„Dieses falsche Gesellschaftsbild korrigieren“
Teil 3: Interview – Philosoph Jan Skudlarek über Freiheit und Gemeinwohl
„Der Verfassungsschutz betreibt ideologische Gesinnungskontrolle“
Teil 1: Interview – Rolf Gössner über politische Tendenzen des Verfassungsschutzes
„Polizeibeamte kommunizieren in der Regel in einem Herrschaftskontext“
Teil 2: Interview – Kriminologe Rafael Behr über die kritische Aufarbeitung von Polizeiarbeit
„Man muss gesetzliche Möglichkeiten schaffen, mit Extremisten umzugehen“
Teil 3: Interview – Militärexperte Thomas Wiegold über Aufgaben und Kontrolle der Bundeswehr