Una und Ray
Großbritannien, USA, Kanada 2016, Laufzeit: 94 Min., FSK 12
Regie: Benedict Andrews
Darsteller: Rooney Mara, Ben Mendelsohn, Ruby Stokes
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Intensives Missbrauchsdrama
Opfer liebt Täter
„Una und Ray“ von Benedict Andrews
Una (Rooney Mara) war 13, als Ray (Ben Mendelsohn), der ältere Nachbar und nette Grillfreund ihres Vaters, sie in einem schäbigen Motel entjungferte. 15 Jahre später platzt die immer noch verstörte Una unangekündigt – seine geheime neue Adresse hat sie irgendwie ausfindig gemacht – mitten hinein in Rays Firma, ausgerechnet an jenem Krisentag, als er mehrere Angestellte feuern muss. In der rundum verglasten Betriebskantine konfrontiert Una Ray mit der Vergangenheit, verlangt Antworten auf all die Fragen, die seit damals an ihr fressen. Warum verschwand er nach dem Sex aus dem Motel und kam nie zurück? Hatte er nicht versprochen, mit ihr fortzugehen? Er sagte, er liebe sie, war das eine Lüge?
Es macht Sinn, dass die Kinoadaption des Bühnenstücks „Blackbird“ des schottischen Autoren David Harrower unter dem US-Originaltitel „Una“ in die Kinos kommt. Der australische Regisseur Benedict Andrews hat den Broadway-Erfolg selbst in Berlin inszeniert, als Zwei-Personen-Kammerspiel, in dem Täter und Opfer,Gegenwart und Vergangenheit gewaltvoll aufeinanderprallten. Im seinem Film verschiebt er nun den Fokus deutlich auf das missbrauchte Mädchen. Häppchenweise deutet er Details aus Unas Leben an: ihre bizarre Fühllosigkeit,Sexabenteuer mit anonymen Männern, das zerstörte Verhältnis zur Mutter, die von nichts gewusst haben will. Ein Leben ohne Selbstwert, eine ruinierte junge Frau. In Rückblenden zeigt das Missbrauchsdrama auch, wie Una und Ray sich damals beim Grillfest im Garten zum ersten Mal fixierten, wie sie sich immer wieder heimlich im Park trafen, wie Una schließlich in jener Nacht tränenüberströmt aus dem Motel rannte, wo Ray sie „nur mal kurz“ zurück gelassen hatte.
Andrews‘ Kammerspiel verstört bis ins Mark, wühlt das Moralempfinden des Zuschauers durcheinander, testet und dehnt die Grenzen zwischen Täter und Opfer auf eine Weise, die man so im Kino selten sieht. Am nachhaltigsten beeindruckt Rooney Maras wütendes, emotional nacktes Spiel als Frau, die ihre und Rays Kräfte unter neuen Vorzeichen messen will mit bohrenden Fragen, Anklagen und Verführungsspielchen. Emmy-Preisträger Ben Mendelsohn ist klug genug, sich zurückzunehmen und der zweifach Oscarnominierten einen Großteil der Bühne zu überlassen. Sein Ray ist ein verhaltener Mann, der für seine Tat vier Jahre Knast verbüßte und nun zwischen Reue und Selbstrechtfertigung schwankt. „Ich war nie einer von denen“, bricht es einmal aus ihm heraus. Dem Zuschauer bleibt überlassen zu entscheiden, ob das stimmt.
Das Psychoduell chargiert auf Dauer, ist schwer zu verdauen, zumal Andrews als Bühnenregisseur nicht aus seiner Haut kann. Die Fabrikräume atmen die beengte Kulissen-Atmosphäre eines Theaters, die Figuren wirken in der Echtzeit-Dramaturgie gelegentlich statisch, wie ineinander verkrampft. Irgendwann fühlt man sich im Kinosaal eingesperrt mit diesen beiden gequälten Seelen.
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