Mängelexemplar
Deutschland 2015, Laufzeit: 112 Min., FSK 12
Regie: Laura Lackmann
Darsteller: Claudia Eisinger, Katja Riemann, Laura Tonke
>> www.maengelexemplar.x-verleih.de
Tempo- und Ideenreiche Tragikomödie
Seelische Achterbahnfahrt
„Mängelexemplar“ von Laura Lackmann
Interview mit Regisseurin Laura Lackmann
Die 27-jährige Karo sitzt in ihrer hippen jungen Eventagentur und wird gerade von ihrer etwa gleichaltrigen, zielstrebigen Chefin gefeuert. Karo grübelt, hat Selbstzweifel, Launen und Ausraster, ist narzisstisch und weiß im Großen und Ganzen nicht, was sie will. Das passt nicht zu der coolen, dauerfröhlichen und stromlinienförmigen Umgebung der Agentur. Einen kleinen Ausraster später steht sie auch schon vor der Tür. Zuhause läuft es mit ihrem Freund leider auch nicht viel besser: Nicht nur die Ansichten zur gemeinsamen Perspektive und Lebensgestaltung driften auseinander, auch die Kommunikation zwischen den beiden knirscht gewaltig. Und etwas später hat Karo auch diese Bindung hinter sich gelassen. Als dann noch ihre langjährige Freundin ihr die kalte Schulter zeigt und Karos Selbstsüchtigkeit den Spiegel vorhält, bricht das Nervenkostüm der Mittzwanzigerin gänzlich zusammen. Ein paar Panikattacken später sitzt sie bei einer Psychologin, und will das kleine Problem tatkräftig angehen. Dafür ist sie sogar bereit, sich zu ändern. Doch die Psyche zu reparieren erfordert schon etwas mehr als Willenskraft und ein paar gute Vorsätze. Sie muss sich ihrer (Familien-)Geschichte stellen. Diese Erkenntnis stürzt Karo vollends in eine schwere Depression und bringt sie letztendlich dazu, bei ihrer Mutter (Katja Riemann) Unterschlupf zu suchen.
Der Debütroman der ehemaligen Viva-Moderatorin Sarah Kuttner erschien 2009. Das Bild der Frau als Psycho vor dem Hintergrund der komplexen gesellschaftlichen Ansprüche der Gegenwart, hat bereits ihre ehemalige Viva-Kollegin Charlotte Roche in ihren Büchern thematisiert. Bei Kuttner fehlen die sexuellen Grenzüberschreitungen, und auch sonst geht es hier nicht ganz so schmerzvoll zu. Stattdessen ist „Mängelexemplar“ eine überspannte Achterbahnfahrt der Gefühle. Es erstaunt, dass für die Regie mit Laura Lackmann eine Kinodebütantin zum Projekt geholt wurde. Zumal die Vorlage die Filmemacherin vor einige Schwierigkeiten stellt. Zum einen sind da die vielen, kaum angerissenen Nebenfiguren. Zum anderen der überproportional hohe Anteil an innerem Monolog. Beides Merkmale, die eine griffige Verfilmung erschweren. Lackmann hat einige der Nebenfiguren kurzerhand zusammengefasst, andere weggelassen. Das Problem des inneren Monologs hat sie nicht wirklich gelöst, der Film, wie auch die Hauptdarstellerin, haben in den langen Voice-over-Passagen allerdings einen recht charmanten und unterhaltsamen Umgang mit diesem in der Regel uneleganten Stilmittel gefunden. Dass „Mängelexemplar“ das Spielfilmdebüt von Laura Lackmann ist, merkt man auch sonst nicht. Höchstens daran, dass sich hier eine lang angestaute Ideenexplosion Bahn bricht. „Mängelexemplar“ ist ein Füllhorn an visuellen wie verbalen Einfällen und pendelt ständig zwischen Realismus, surrealen Sequenzen und – auch nicht so häufig im deutschen Kino – gutem Humor. Der Rhythmus stimmt, und bei all den unterschiedlichen Stimmungslagen und dem hohen Tempo des Films, kommt man sogar den seelischen Nöten der Hauptfigur nah.
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