Das Wunder von Marseille
Frankreich 2019, Laufzeit: 107 Min., FSK 12
Regie: Pierre-François Martin-Laval
Darsteller: Assad Ahmed, Gérard Depardieu, Isabelle Nanty
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Empfindsames Flüchtlingsdrama nach Tatsachen
Krieg auf dem Spielbrett
„Das Wunder von Marseille“ von Pierre François Martin-Laval
Für den achtjährigen Fahim ist Schach Krieg, kein Spiel. Immerhin einer, dessen Verlauf er wenigstens in der Hand hat. Die Welt jenseits des Spielbretts hat nichts von dieser strategischen Ordnung, vom klaren Schwarz-Weiß, das Fahim so liebt: Wäre er nicht so überragend im Schach, das sein Vater Nura (Mizanur Rahaman) ihn gelehrt hat, hätte er in seiner Heimat nicht Wettbewerbe gewonnen, wäre seine Familie nicht in Gefahr. Dann hätten er und sein Vater nicht flüchten und Mutter und Geschwister zurücklassen müssen. So aber finden sich Vater und Sohn in den Straßen von Paris wieder. Ohne Geld, ohne vernünftige Papiere, ohne die Sprache zu verstehen, ohne Arbeit. Nura hat nur einen konkreten Plan: Für Fahim findet er den nächstbesten Jugendschachclub, eine bunte Handvoll Kinder, die vom gescheiterten Meisterspieler Sylvain (Gérard Depardieu) trainiert werden. Die Beziehung zwischen dem frustrierten Alten und dem aufsässigen kleinen Ausländer hat einen schweren Start.
In Zeiten nicht endender Flüchtlingskontroversen ist die wahre Geschichte von Fahim Mohammad, der 2008 mit seinem Vater aus Bangladesch floh, eine Feelgood-Story, die praktisch nach Kino schreit. Nachdem Fahims Vater den Antrag auf politisches Asyl gestellt hatte, lebten beide für Jahre in Heimen und auf der Straße, jederzeit in Gefahr, abgeschoben zu werden. Zwischenzeitlich fand Fahim zum Schachclub und traf dort Trainer Xavier Parmentier, der ihm Mentor und Retter wurde und dem der Film gewidmet ist. 2012 bestand Fahims letzte Chance auf Bleiberecht in der Schachlandesmeisterschaft der unter Zwölfjährigen, die er tatsächlich gewann. Seitdem darf der Junge sich im Land aufhalten, die Familie konnte nachkommen. Bis heute hofft er auf seine Einbürgerung.
Bevor Parmentier 2014 starb, konnte er Fahims Geschichte noch gemeinsam mit Sophie le Callennec im Roman „Spiel um dein Leben, Fahim!“ aufschreiben, der Regisseur Pierre François Martin-Laval („King Guillaume“) als Grundlage diente. Vom Originaltitel „Fahim“ unnötig blumig ins deutsche „Das Wunder von Marseille“ übersetzt, überzeugt Martin-Lavals Sozialdrama vor allem mit seinem unsentimentalen Grundton, trockenem Witz und zwei Hauptdarstellern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Gérard Depardieu nimmt sich auffallend zurück und ersetzt Pathos durch warmen Humor. Noch dazu hatte er lange keinen besseren Partner als den kleinen Assad Ahmed, der Fahim spielt, selbst aus Bangladesch stammt und erst während des Drehs Französisch lernte.
Der Film ist fest genug in seiner Realität verankert, um ohne Scham auch ein bisschen Rührstück sein zu können. Mit Herz erzählt er von Außenseitern und was die Hilfsbereitschaft und Toleranz einiger Weniger für sie bewirken können, über Bürokratiewahnsinn, Intoleranz und Fremdenangst hinweg. Was Fahim Mohammad so vollbringen konnte, grenzt tatsächlich an ein Wunder; für Millionen anderer Flüchtlingskinder sieht die Wirklichkeit anders aus.
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