Bella Martha
Deutschland 2001, Laufzeit: 106 Min., FSK 0
Regie: Sandra Nettelbeck
Darsteller: Martina Gedeck, Sergio Castellitto, Maxime Foerste, August Zirner, Ulrich Thomsen, Sibylle Canonica, Idil Üner, Katja Studt
Martha ist keine untypische Frau. Vom Leben und von besonders von Männern enttäuscht, aber erfolgreich in ihrem Beruf als Chefköchin, kreist ihr Leben ganz um ihre Arbeit. Aussenkontakte hat sie bereits seit langem auf das notwendige Minimum beschränkt und ihre Lebenswünsche unter der Maske der verschlossenen, selbstsicheren, professionellen Frau begraben. Doch als ihre Schwester tödlich verunglückt und deren eigenwillige, achtjährige Tochter nun auf sie als einzige Bezugsperson abgewiesen ist, gerät ihr harsches Lebensgerüst langsam aus den Fugen. Mehr aber noch ist Martha irritiert von Mario, einem italienischen Meisterkoch, der ihr in ihrer eigenen Küche, wie sie zunächst meint, Konkurrenz zu machen droht. Dieser Mann, der Lebensfreude und Verspieltheit in jeder Geste verkörpert, versucht sich am Granit Marthas, nicht ganz erfolglos, mit der Zeit... Sandra Nettelbeck, Produzentin des ARD und Regisseurin von Fernsehspielfilmen, schafft mit Martha eine exemplarische Figur der Lebensentsagung und deren möglicher Heilung. Dabei macht sie ihre Figur nie zum Opfer psychologischer Erfassbarkeit. Martha bleibt letztlich, wie sei selbst zum Schluss sagt “schwer zu verstehen³. Dagegen rekonstruiert Nettelbeck Marthas Welt, ihren Blick und ihre Wahrnehmungen. Nettelbeck selbst sagt über ihre Arbeit “Die filmische Zeit nehmen zu beobachten und eine Figur zu verstehen, indem man ihre Gesichtszüge filmt, scheint mir weitaus wichtiger als alle möglichen Subtilitäten des Schnitts zu sein.³ Nettelbecks Verzicht auf ausufernde Handlungskomplexität, Schnittdynamik und Szenenfragmentierung, die üblichen aktuellen Filmparameter, gibt ihr die Möglichkeit, eine Figur zu schaffen, deren intime Sprache hinter ihrer Erscheinung für den Zuschauer fassbar wird. Als “Bella Martha" unter freiem Nachthimmel in Locarno seine Premiereaufführung fand, war dies einer dieser kleinen Glücksmomente, die man nach den üblichen Konfrontationen mit globalen und lokalen Desastern, dem Pflichtprogramm jedes ernstzunehmenden Filmfestivals, nicht missen möchte. Gleichzeitig war Locarno als Ort gut gewählt für das, hier unter eher komischen Vorzeichen inszenierte, Aufeinandertreffen germanischer Verbissenheit und italienischer Lebenszuwendung, ein Klischee, das wie alle anderen, auch nicht ganz falsch ist.
(Dieter Wieczorek)
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