90 Minuten - Das Berlin Projekt
D 2011, Laufzeit: 92 Min.
Regie: Iva Trajkov
Darsteller: Blerim Destani, Nicolette Krebitz, Udo Kier, Richard Sammel, Sophia Thomalla, Julia Dietze
>> www.90minuten.alpha-medienkontor.de/
Originell inszenierter Echtzeit-Thriller
Keine Schnitte
„90 Minuten – Das Berlin Projekt“ von Ivo Trajkov
Nein, dieser Film wird nicht in die engere Auswahl des nächsten Schnitt-Preises kommen. Der Schnitt wird hier schließlich tunlichst vermieden. Und seien die unzähligen Möglichkeiten, mit denen die Montage den Film zu bereichern vermag, mal hinten angestellt: Filme, die sich dem Schnitt entziehen, entwickeln einen unvergleichlichen Sog, den herkömmliches Kino so nicht erreicht. Ein Sog, der durch das Bewusstsein der Inszenierung entsteht, der Choreografie, der Konzentration, die keine Fehler verzeiht. Die Kamera spielt in solchen Projekten die zweite Hauptrolle. Der Verzicht auf die Montage mag desillusionierend wirken, weil der Zuschauer die Kameraführung, das Timing, die Inszenierung als zusätzliches Spannungselement, als Spannungsbogen wahrnimmt. Die Eigentümlichkeit dieser Inszenierung wird Teil der Dramaturgie. Das ist in der Filmgeschichte schon mehrfach gelungen, zuletzt 2002 mit „Russian Ark“, einer Zeitreise durch den Winterpalast oder 2005 mit „Sábado – Das Hochzeitstape“. Zwei aufregende Filme in Echtzeit ohne Schnitt. Der eine bis ins Detail sorgsam choreografiert, der andere mit Raum für Improvisation. Der eine spielte in einem Gebäude, der andere in einem ganzen Vorort.
Nun gesellt sich „90 Minuten – Das Berlin Projekt“ hinzu. Man muss anmerken, dass dieses Werk nicht aus einem Guss ist, es kommt versteckt zum Schnitt. Trotzdem sind die jeweiligen Sequenzen lang genug gehalten, um den Thrill des langen Augenblicks auch hier entstehen zu lassen. Und das Werk nimmt sich viel vor: Die Kamera folgt dem Protagonisten durch Berlin, via Bahn, Boot, Auto, Fahrrad, vor allem aber zu Fuß. Noch mehr als seine Vorgänger sucht Regisseur und Drehbuchautor Ivo Trajkov spielerisch nach neuen Möglichkeiten, die die Form ihm bietet, wandelt sehr originell durch das Konzept, lässt surreale Momente einfließen, flechtet in der Postproduktion Halluzinationen ins Geschehen ein, lässt die Kamera auch mal in die Subjektive wechseln. Kameramann Suki Medencevic beweist, dass ein solches Unterfangen auch ohne Stativ, mit viel Tempo und ständiger Bewegung äußerst elegant gelöst werden kann, seine Kamerafahrten wirken in keiner Sekunde hektisch.
Ach ja, eine Handlung gibt es natürlich auch noch: Ein Filmstar (Blerim Destani) stiehlt sich, mit einem Revolver bewaffnet, aus der Premierenveranstaltung seines neuen Films, um sich an einem Sektenführer (Udo Kier) zu rächen. Ihm bleiben 90 Minuten für eine abenteuerliche Odyssee durch die Berlin. Mehr Handlung gibt es nicht – und die ist auch nicht nötig, denn die eigentliche Hauptrolle spielt, wie bereits ausgeführt, die Kamera, der ständige Begleiter des Helden, die diesen, auch wenn er sich mal von ihr wegbewegt, blad wieder magnetisch anzieht. Klar, das ist das Gesetz des Konzepts, ist aber in keiner Sekunde verkopft gelöst. Ein Abenteuer, nicht das erste seiner Art, aber einer der originellsten Filme, die davon leben (vorzugeben), ohne Schnitt auszukommen.
(Hartmut Ernst)
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
Ernster Mai
Der Frühling schwemmt viele Dokumentarfilme ins Kino – Vorspann 05/24
Prominente Drehorte
Der Verein Köln im Film zeigt in Köln gedrehte Spielfilme – Festival 05/24
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Filmpalast – Foyer 04/24
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
Gegen die Marginalisierung weiblicher Körper
„Notre Corps“ im Filmforum – Foyer 04/24
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
Show halt
Die Sache mit dem Oscar – Vorspann 04/24
„Paradigmenwechsel im Mensch-Natur-Verhältnis“
Mirjam Leuze zum LaDOC-Werkstattgespräch mit Kamerafrau Magda Kowalcyk („Cow“) – Foyer 03/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Schöne Aussichten im Kino
Der Festivalauftakt in Berlin verspricht ein gutes Filmjahr – Vorspann 03/24
Bären für NRW-Filme?
21. NRW-Empfang im Rahmen der 74. Berlinale – Foyer 02/24
Bad Director
Start: 9.5.2024
Robot Dreams
Start: 9.5.2024
Das Zimmer der Wunder
Start: 16.5.2024
Nightwatch: Demons Are Forever
Start: 16.5.2024
Furiosa: A Mad Max Saga
Start: 23.5.2024
Mit einem Tiger schlafen
Start: 23.5.2024
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
Golda – Israels Eiserne Lady
Start: 30.5.2024
May December
Start: 30.5.2024
Was uns hält
Start: 20.6.2024
Rechtsextreme Terroranschläge
„Einzeltäter Teil 3: Hanau“ im Filmhaus – Foyer 02/24