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Grete bleibt nur der Wahnsinn
Foto: Thilo Beu

Faust-Kunst-Kleist-Orgie

30. April 2015

Alice Buddeberg inszeniert „Faust I“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 05/15

Ach du armer Goethe. Dein Faust, über drei Stunden Spielzeit, ziselierte Sprache, er hat Probleme über Probleme. Wir können doch nix dafür, dass du nie erfahren hast, was die Welt im Innersten zusammenhält. Selbst heute sucht man verzweifelt den Beweis eines Higgs-Teilchens, aber ob das wirklich dein Problem gelöst hätte? Jedenfalls versucht Hausregisseurin Alice Buddeberg am Theater Bonn zum Kern des Pudels Faust vorzudringen. Ohne den Geheimrat damit allzu sehr zu belasten. Schauspieler Glenn Goltz ist eher ein fluffiger Faust, dessen jugendliche Maske selten zur Sprache passt, dessen Zwangsmodernität der Interpretations-Idee aber auch nicht im Wege steht. Ein White Cube ist sein Studierzimmer, moderne Kunst seine Berufung. Eine Meisterschaft ist da nicht zu erkennen, also greift er zum finalen Drogenpülleken, woraufhin die Teufel ihren Auftritt in seiner schwankenden Welt bekommen und ihn erst einmal aufhalten.„So come up to the lab and see what's on the slab. I see you shiver with anticipation.“ Dr. Frank-N-Furters Szene aus Rocky-Horror kommt mir an diesem Abend mehrfach in den Sinn, vielleicht auch, weil einer der drei Teufel irgendwie an Riff-Raff erinnert.Buddeberg hat den Mephisto gedrittelt, das ist zwar auch nicht neu, aber immer wieder wirkungsvoll, vielleicht auch, um mit ihnen schneller durch manche der gestrichenen Szenen hasten zu können. Denn es geht offensichtlich nur um Faust und Grete, um Faust und die Teufel und so viel sei schon verraten, um ein alternatives Ende, bei dem Mephisto 3.0 menschlicher werden muss als ihm lieb ist.

Die Kernaussage bei Buddeberg kommt allerdings von Heinrich von Kleist. Dessen Abschiedssatz: „Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war“, schwebt für Faust über der Inszenierung wie ein Damoklesschwert, da hilft auch kein wildes Farbgespritze, keine Leinwandzertrümmerung mehr. Irgendwie sind alle mal nackig, mal äffisch, mal zeitgemäß geil, was durchgehend bleibt, ist die Ödnis der Szenerie im offenen schwarzen Bühnenraum, wo auch mal mit Kreide geschrieben und der flotte Dreier zelebriert wird. Klaro, Faust unterzeichnet den Kontrakt, Faust wird wieder jung, Faust geht auf die Reise in die Welt. Grete (Mareike Hein) taucht auf, der Eros leuchtet. Grete schwanger. Pause.

Alles leuchtet orange-türkis. Die Welt so schön, doch Faust ist schon wieder im verfluchten Hier. 14 Ballonköppe bevölkern die Bühne, unzählige fallen von der Decke. Ein Idyll ist das nicht, er macht sich davon, verrät die Geliebte, der nur noch der Weg in den Wahnsinn bleibt. Mareike Hein zelebriert den Kindsmord expressiv, vielleicht ein wenig lang, doch diese Szene ist wenigstens intensiv. Jetzt ekelts selbst die drei Mephistopheles, Faust wird zum teuflischen Misanthropen. Der Menschheit ganzer Schauder häuft sich über ihn. Er greift wieder zum finalen Drogenpülleken, und diesmal klappt das Gebräu wohl auch. Noch mal Kleist, nochmal gibt es nichts zu hoffen. Das letzte Wort hat Grete: „Heinrich, mir graut vor dir.“ Ein konsequentes Ende, dass irgendwie eine Stunde zu spät kam.

„Faust I“ | Mi 6.5., Sa 9.5., Fr 22.5. 19.30 Uhr, So 17.5. 18 Uhr, So 31.5. 16 Uhr | Kammerspiele Bonn | 0228 77 80 22

PETER ORTMANN

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