Wer in Deutschland katholischer Priester werden will, dem steht ein institutionell durchstrukturierter Ausbildungsweg bevor. Grob vereinfacht gliedert sich dieser Weg in zwei Phasen: Ein universitäres Studium der Theologie, das in der Regel zwischen vier und fünf Jahre dauert, und eine anschließende praktische Ausbildung über zwei Jahre, das so genannte Priesterseminar. Nach etwa sieben Jahren der Ausbildung und abschließender Priesterweihe ist man dann nicht nur von kirchlicher Seite, sondern auch von staatlich-juristischer Seite aus ein anerkannter Priester.
„Als Imam in Deutschland übt man keinen juristisch anerkannten Beruf aus, wie es beispielsweise bei den christlichen Priestern der Fall ist“, äußert sich Erol Pürlü von der VIKZ (Verband der Islamischen Kulturzentren). Der 1973 in Köln gegründete Verband bildet seit den 1980er Jahren eigenständig Imame in Deutschland aus. Ziel und Zweck der Verbandsarbeit, der sich etwa 300 selbständige Moschee- und Bildungsvereine angeschlossen haben, ist die Betreuung von Muslimen in Deutschland. Die Geschichte des VIKZ ist eng verbunden mit der der türkischen Gastarbeiter in Deutschland. „Der Grund, warum wir Muslime in Deutschland begonnen haben auszubilden, hing mit dem damaligen Einwanderungsstopp in den 1970er Jahren zusammen“, erklärt Pürlü die Zusammenhänge.
Kamen vorher die Imame noch aus der Türkei, wurden sie durch die veränderte Lage aufgrund des Einwanderungsstopps nun in Deutschland ausgebildet. „Die Imame, die wir ausbilden, sind alle in Deutschland geboren“, beschreibt es Pürlü.
Zukunftsmusik: der Einheits-Imam
Ein anderer großer türkisch-islamischer Verband ist die DITIB. „Wir haben keine eigene Imam-Ausbildung“, erklärt Taner Yüksel. Yüksel ist Leiter der hauseigenen Akademie der DITIB. Hier startete auch vor gut einem Jahr ein Pilotprojekt für die Ausbildung von Religionsbeauftragten für die Moscheen. „Wir sind gerade dabei die Ergebnisse gründlich auszuwerten“, so Yüksel. Vielleicht ergibt sich aus solchen Pilotprojekten heraus einmal ein einheitliches und offiziell anerkanntes Ausbildungsmodell für den Imam-Beruf in Deutschland – noch aber ist das Zukunftsmusik.
„Das Thema der Imam-Ausbildung ist eines der Dinge, die aktuell gefordert werden und gesellschaftlich relevant sind“, bewertet Yüksel die Situation. Die DITIB arbeitet aber derzeit noch mit Imamen aus der Türkei, ein Modell, das in Zukunft modifiziert werden sollte, findet der Akademie-Leiter der DITIB. „Die Hauptaufgabe der Imame in Deutschland heute ist es vor allem, religiöse Dienste anzubieten. Die Anforderungen haben sich auch gewandelt, so wie sich auch die Gesellschaft gewandelt hat“, meint Yüksel. Es gibt auch viele Bereiche, in denen Imame mehr gefordert sind denn je, dazu gehören soziale Arbeit, wie Jugend- und Seniorenarbeit, aber auch speziellere Themen werden immer wichtiger, wie zum Beispiel das Thema der islamischen Gefängnisseelsorge.
„Hierauf müssen wir als Verband natürlich reagieren, genauso wie auf die Umstände, dass unsere jungen Gemeindemitglieder oftmals besser Deutsch als Türkisch sprechen, weswegen wir momentan vor allem bilinguale Imame suchen“, erläutert Yüksel den Standpunkt der DITIB. Ein Idealmodell besteht für ihn in der Verzahnung aus universitärer Ausbildung und einer praktisch-theologischen Ausbildung, nicht unähnlich einem Priesterseminar, die aber auf jeden Fall von den Gemeinden selbst kommen müsse. „Die Ausbildung der Imame muss letztlich von den Gemeinden selbst übernommen werden, und sollte nicht in universitärer Hand alleine liegen“, stellt Yüksel klar. „Die universitäre Ausbildung alleine kann nicht ausreichen, es bedarf für die Einweisung in bestimmte religiöse Praktiken und Zeremonien eine vertiefende, praxisorientierte Weiterbildung in den Gemeinden“, so Yüksel weiter.
Ein Standpunkt, der nicht nur von den großen islamischen Verbänden in Deutschland so geteilt wird, sondern auch an den Universitäten selber. In Deutschland gibt es mittlerweile fünf Standorte, an denen Islamische Theologie studiert werden kann. In Nürnberg-Erlangen, in Frankfurt, in Osnabrück, in Münster sowie in Tübingen können junge Menschen nun islamische Theologie sozusagen aus einer Binnenperspektive heraus wissenschaftlich beleuchten – ein Abschluss hier ist aber wie beim christlichen Theologie-Studium auf keinen Fall gleichzusetzen mit einer Imam- bzw. Priester-Ausbildung. „Im Idealfall wächst der spätere Imam aus der Gemeinde heran, die ihn im Anschluss an das theologische Studium dann weiter ausbildet“, so Daniel Roters, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Münster.
Was noch fehlt, ist ein Einheitsmodell, mit dem sich alle muslimischen Verbände anfreunden können. Das zu finden ist zwar für die Zukunft wichtig, aber kein einfaches Unterfangen. „Was verstehen wir unter einem Imam – im Kontext der jeweiligen Länder ist das geklärt, in Deutschland aber noch Definitionssache“, so Yüksel. „Samt Ausbildungsweg müsste man für den Imam in Deutschland eine gemeinsame Definition finden“, so Yüksel weiter. „Es ist, denke ich, eher auch eine Frage der Zeit, denn bislang gab es in dieser Sache ganz viele Ansprechpartner – und die einzelnen Gemeinschaften konnten lokal ihrer Arbeit nachgehen. Theologische, ethnische und kulturelle Fragen könnten ebenfalls Schwierigkeiten darstellen, um einen „Einheits-Imam“ auszubilden. Und sollte es diesen geben, wer bezahlt ihn und mit welchem Geld?“, versucht Roters weitere Gründe zu benennen, warum es in Deutschland eben noch keinen „Einheits-Imam“ gibt.
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