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Ali Waked, Yuval Adler und Steve Hudson im OFF-Broadway
Foto: Frank Brenner

Konflikte im Heiligen Land

30. Januar 2014

„Bethlehem“ im OFF-Broadway – Foyer 02/14

Montag, 6. Januar: Das israelisch-palästinensische Grenzgebiet ist nach wie vor einer der größten Krisenherde unseres Planeten. Seit Jahrzehnten tobt zwischen den Arabern und den Juden der Kampf um die Region, in der vor mehr als 2000 Jahren Jesus Christus geboren wurde. Die Stadt Bethlehem steht auch im Mittelpunkt des gleichnamigen israelischen Films, der für die Oscar-Wahl 2014 als „bester ausländischer Film“ für sein Land ins Rennen gehen soll. Zur Premierenveranstaltung im Kölner OFF-Broadway waren wenige Tage vor dem Bundesstart neben dem Wahl-Kölner Steve Hudson, der den Film produzierte, auch der israelische Regisseur Yuval Adler und der palästinensische Drehbuchautor Ali Waked angereist. Allein die Tatsache, dass hier beide Seiten an der Produktion des Films beteiligt waren, unterstreicht schon einmal die Neutralität des Dargestellten. Und tatsächlich wollen die Filmemacher mit „Bethlehem“ keine eindeutige Position beziehen, sondern ihr Publikum zum Nachdenken über die gezeigte Situation anregen, in der es zu massiven Gewissenskonflikten bei den Protagonisten kommt.

Joachim Kühn im Gespräch mit Steve Hudson, Foto: Frank Brenner

Yuval Adler erläuterte in Köln, allein der Recherche- und Schreibprozess des Films habe vier Jahre gedauert. Der Regisseur und Co-Autor war von Anfang an fasziniert von der israelischen Geheimdienstorganisation Shabak, die er in seinem Film in den Mittelpunkt stellen wollte. „Ich konnte das aber nicht alleine schreiben. Ali hatte einen anderen Zugang zu der Geschichte, weil er bislang als Journalist über diese Dinge geschrieben hatte. Mit seiner Hilfe wollte ich beide Seiten der Konfliktparteien darstellen.“ Dies war insbesondere zu Beginn ein Prozess, der viel Sorgfalt und Genauigkeit von Seiten der Drehbuchautoren erforderte. Ali Waked ergänzte, dass er in aller Bescheidenheit einer der fachkundigsten Experten in Palästinenserfragen sei. Er hatte bereits tausende Artikel zu der Problematik für die verschiedensten Websites geschrieben, „aber ein Drehbuch dazu zu verfassen, ist eine völlig andere Angelegenheit.“ Beiden Autoren war es wichtig, die Fakten zu zeigen, ohne diese zu bewerten oder in gut und schlecht einzuteilen. Deswegen sei es ganz natürlich, dass Zuschauer völlig unterschiedlich auf „Bethlehem“ reagierten. Steve Hudson kommentierte, dass es unvermeidlich sei, dass die mangelnde Positionierung der Filmemacher auch als Ansatz für Kritik genutzt würde. Davon abgesehen hätte der Film sein Ziel aber allein schon dadurch erreicht, dass er „die Situation in der Westbank wieder ins Bewusstsein der Menschen zurückholt und eine Debatte über diesen Zustand auslöst.“

Premiere im Off-Broadway, Foto: Frank Brenner

Joachim Kühn war mit seinem Filmverleih RealFiction bereits im Produktionsstadium des Films mit eingestiegen, weil nach dem Abspringen eines deutsch-französischen Fernsehsenders als Produktionspartner ansonsten die Realisierung gänzlich auf der Kippe gestanden hätte. Kühn fand bemerkenswert, dass Adler in seinem Film mit Bildern arbeite, die man hierzulande zur Genüge aus den Nachrichten kenne. Hier entstünden nun aber persönliche Geschichten zu diesen Bildern, da uns „Bethlehem“ die Personen und ihre Schicksale im Vorfeld nahebringe. Yuval Adler erwiderte, dass sein Film tatsächlich Dinge aus der Realität abbilde, allerdings kein Dokumentarfilm sei. Auch der radikale Schluss seines Films sorgte beim anschließenden Publikumsgespräch für zahlreiche Fragen und Anmerkungen. Es war den Filmemachern wichtig, dass die Interpretation des Gezeigten außerhalb des Films selbst liege. „Ein Regisseur kann keine Probleme lösen. Unsere Aufgabe besteht darin, das Problem aufzuzeigen und dafür zu sorgen, dass der Zuschauer es emotional erfassen kann. Wir leben außerhalb des Films, wir müssen im Film selbst Hoffnung nicht abbilden.“ Nichtsdestotrotz wurde „Bethlehem“ in Israel zu einem unerwarteten Sensationserfolg, der es nun sogar in die Auswahlliste für die Oscars geschafft hat. Dass er indes bislang noch nicht in Palästina gezeigt werden konnte, liegt an den nach wie vor schwelenden Animositäten, die dem Film als rein israelische Produktion entgegenschlagen.

Frank brenner

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