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Nizam Najar beantwortet die Fragen des Publikums
Foto: Frank Brenner

Inmitten des Bürgerkriegs

26. September 2014

„Diary from the Revolution“ im Filmforum – Foyer 09/14

Mittwoch, 24. September: Mehr als 80 Filme aus 27 afrikanischen Ländern standen beim diesjährigen „Jenseits von Europa XIII – Neue Filme aus Afrika“-Festival auf dem Programm. Einen besonderen Schwerpunkt bildeten dabei Werke, die sich mit „Homophobie in Afrika“ auseinandersetzten. Den Organisatoren vom FilmInitiativ Köln e.V. war es wieder gelungen, rund dreißig Gäste zu den zahlreichen Filmvorführungen einzuladen, die im Anschluss an die Projektion ihrer Arbeiten bereitwillig Auskunft gaben und mit den Zuschauern über das Gesehene diskutierten.

Der in Libyen geborene und seit mehr als zehn Jahren in Norwegen lebende Filmemacher Nizam Najar hatte sein Regiedebüt „Diary from the Revolution“ mitgebracht, dem seit Bestehen des Festivals ersten Beitrag aus dem afrikanischen Land Libyen. Da sich Najar darin mit der Revolutionsbewegung gegen den Diktator Gaddafi auseinandersetzte, die schließlich zu den ersten demokratischen Wahlen des Landes führte, ist die Thematik nach wie vor sehr aktuell und brisant.

Beim Publikumsgespräch erläuterte Nizam Najar, dass er sich 2011 angesichts der politischen Entwicklungen in seinem Heimatland sehr spontan entschloss, von Oslo aus dorthin zurückzureisen, um die Ereignisse vor Ort dokumentarisch zu begleiten und „beizutragen, eine neue Demokratie zu erschaffen“. Den einfachen Hinflug buchte er über die Kreditkarte seiner Freundin, weil ein bereits enthaltenes Rückflugticket 50 Euro teurer gewesen wäre, die 1000 Euro für eine Kameraausrüstung erhielt er von einer norwegischen Tageszeitung, der er von seinem Projekt erzählte und um Unterstützung gebeten hatte.

Vor Ort in Libyen geriet Najar, der einen Regieabschluss an der norwegischen Hochschule in Volda gemacht hatte, schnell unter Verdacht, ein feindlicher Spion der Regierung zu sein. Er musste sich durch etliche Verhöre quälen, bis er schließlich das Vertrauen seiner revolutionären Landsleute gewinnen konnte. Doch immer wieder fielen seine Kontaktpersonen im Kampf, kurz nachdem er ihnen seine Redlichkeit bewiesen hatte. Nach rund fünf Monaten in Libyen gewann er schließlich das Vertrauen von Haj Siddiq, dem Milizanführer der Stadt Misrata, der ihn zum offiziellen Dokumentaristen seiner Kampfeinheit ernannte. In dieser Funktion filmte er sowohl das Vorankommen als auch die Rückschläge der Truppe, der es schließlich gelang, Gaddafis Geburtstadt Surt zu erobern. Kurz darauf war die Weltöffentlichkeit Zeuge, wie die aufgebrachten Revolutionäre den Diktator auf offener Straße stellten und zu Tode prügelten.

Sebastian Fischer im Gespräch mit Nizam Najar, Foto: Frank Brenner

Im Filmforum Köln wollten Zuschauer wissen, ob Najar auch Zeuge von sexueller Gewalt vor Ort geworden wäre. Dies verneinte der Filmemacher, räumte allerdings ein, dass er „im Nachhinein von Vergewaltigungen auf beiden Seiten gehört“ habe. Ein ethisches Problem hat Najar mit der Folter, die von der Miliz nach Niederschlagung des Regimes an deren Anhängern verübt wurde. „Ich war darüber sehr enttäuscht, weil das in starkem Widerspruch zu den Idealen der Revolution stand.“ Sein Gönner Haj Siddiq verbat sich in diesem Zusammenhang auch, den Verhörraum im Film zu zeigen oder zu diesen Vorkommnissen befragt zu werden, weil er weder gewillt sei, die Wahrheit zu sagen, noch zu lügen.

Die Revolutionäre selbst wurden bei ihrem Kampf mittels Waffenlieferungen und Luftraumschutz durch die NATO unterstützt, was „angesichts der aktuellen Lage in Libyen weder als eindeutig gut noch als eindeutig schlecht“ zu bewerten sei, so Najar. Es habe jedenfalls – mit der Begründung des Schutzes der Zivilbevölkerung – seinerzeit die bis dato am schnellsten gefasste Entscheidung im NATO-Sicherheitsrat über einen Militäreinsatz gegeben. Ob die tatsächliche Motivation dabei die Ölvorkommen Libyens waren, oder ob man das Land dadurch in einem Splitterzustand halten wollte, könnten andere mögliche Begründungen für diese schnelle Einigkeit sein, so der Regisseur.

Frank Brenner

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