Mariano Llinás hat ungefähr fünf Jahre an „La Flor“ gedreht. Herausgekommen ist ein 13 ½-stündiger Film, der ab dem 1. August in Köln zu sehen ist. Oder mehrere Filme, je nach Sichtweise. Die Klammer, so der Regisseur, sind die vier Hauptdarstellerinnen, denen zu Ehren er den Film gemacht hat. Damit steht Llinás voll im Trend. Gerade in diesem Monat ist es sehr auffällig: Es gibt neben „La Flor“ verblüffend viele Filme mit Frauen in ihrem Zentrum. Anders als in „La Flor“ sind sie oft mittleren Alters. In „Gloria – Das Leben wartet nicht“ – der Chilene Sebastián Lelio hat seinen Film „Gloria“ aus dem Jahr 2013 für den US-Markt mit Julianne Moore in der Hauptrolle neu inszeniert – begleiten wir eine Frau Mitte 50, die nach Jahren des Alleinseins versucht, in einer neuen Paarbeziehung glücklich zu werden. Zum Erstaunen ihrer erwachsenen Kinder.
Auch Claires Kinder in „So wie Du mich willst“ von Safy Nebbou wären erstaunt, wenn sie wüssten, dass ihre Mutter einen Liebhaber hat. Und was für einen: Ihr heimlicher Schwarm ist fast halb so jung, bislang allerdings nur eine anonyme Facebook-Romanze. Julianne Moore und Juliette Binoche hätte man in good old Hollywood noch als Großmütter besetzt, während Kollegen wie Cary Grant mit 59 Jahren auf eine 34-jährige Audrey Hepburn losgelassen wurden. Wie in Stanley Donens „Charade“ aus dem Jahr 1963 – ein toller Film, ohne Frage. Und realistisch zudem, könnte man mit Blick auf die Trumps behaupten (er 73, sie 49)! Von wegen, könnte man mit einem Verweis auf die Macrons kontern (er 41, sie 66)!
Auch „Love after Love“ von Russel Harbaugh begleitet eine Frau mittleren Alters, die sich nach dem Tod ihres Mannes der Möglichkeit einer neuen Liebe stellen muss. Allen drei Filmen ist gemein: Regie haben Männer geführt. Außerdem sind die Regisseure allesamt jünger als ihre Protagonistinnen. Ein interessantes Phänomen, dessen Hintergründe hier gar nicht erörtert werden sollen. Sicher ist: Die Protagonistinnen spiegeln die Demografie des Kinopublikums, das älter und weiblicher wird.
Ältere Frau – jüngerer Mann: das findet man im August auch in dem deutschen Drama „Es gilt das gesprochene Wort“: Die Darsteller der zentralen Liebesbeziehung sind Anne Ratte-Polle (45) und die Neuentdeckung Oğulcan Arman Uslu (27). Der Regisseur İlker Çatak liegt mit 35 Jahren genau dazwischen. Tatsächlich sind all diese Filmpaare nachvollziehbar. Zumindest sexuell, weil bei Frauen im Alter die Libido steigt, bei Männern jedoch sinkt. Der perfekte Mann für eine 45-jährige Frau– wenn‘s denn überhaupt einer sein muss – ist dementsprechend 20 Jahre alt.
Das scheinen zumindest einige Regisseure gemerkt zu haben, auch wenn das Klischee „älterer Mann und jüngere Frau“ auch im Kino noch vorherrscht. Grant Sputore verzichtet in „I Am Mother“ gleich ganz auf Männer. Der Science-Fiction-Film ist ein Kammerspiel mit zwei Frauen, die eine ist Anfang zwanzig, die andere, gespielt von Hilary Swank, Mitte vierzig. Auch hier: Der Regisseur liegt irgendwo dazwischen. Und die Mutter im Filmtitel – die ist ein Roboter. Da spielt das Alter nun wirklich keine Rolle ...
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