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„Orpheus in der Oberwelt“
Foto: Barbara Braun / MuTphoto

Frontex und das Totenreich

26. Februar 2015

„Orpheus“ am FFT Düsseldorf – Theater am Rhein 03/15

Nachdem die Mänaden den Sänger Orpheus zerrissen hatten, warfen sie seinen Kopf in den Fluss Evros in Thrakien. Singend trieb der Schädel flussabwärts. Auch heute treiben Leichen im Evros: Er markiert die Grenze zwischen Europa und der Türkei und ist zur streng bewachten Außengrenze der Festung EU geworden, an der die Grenzagentur Frontex das Sagen hat. Zum Singen ist dort inzwischen niemandem mehr zu Mute. Die andcompany&Co. nutzt die mythologisch-realistische Koinzidenz als Anregung für ihre Produktion „Orpheus in der Oberwelt: Eine Schlepperoper“.

Auf der Bühne stehen kleine fahrbare Felsversatzstücke vor einer Mauer der Zeichen. Die Truppe in ihren Ganzkörperanzügen mit Wärmebildkamera-Optik hockt da, fliegt rudernd umher, umrundet das Eiland oder erstürmt die Inselchen. Man bricht ironisch eine Lanze für die Schlepper, die hier Reiseleiter genannt werden – angeblich ein Beruf wie viele andere. Wie Vögel hocken die Schauspieler auf den Felsen, stülpen sich buntbemalte Schnabelmasken über. Zeit für die Ornithologen und ihre Tag- und Nachtsichtgeräte. Wen beobachten sie? Vögel im Naturschutzgebiet am Evros? Dunkle Vögel? Oder Hermes, den Gott der Reisenden, der Diebe, den geflügelten Boten, der auch die Toten in die Unterwelt geleitete?

Musikalisch sorgen zwei Sänger und ein Trio aus Flöte, Cello und Cembalo mit Bruchstücken aus Monteverdis und Glucks „Orpheus“-Opern für Bildungsbeflissenheit, während auf der linken Seite der Komponist Sascha Sulimma am Computer das Geschehen mit Songs und Beats im typisch Eislerschen Marschrhythmus untermalt. Der Abend changiert zwischen Mythologie, Trash, Information und Ästhetisierung. Frontex trifft auf Hermes, tote Flüchtlinge auf zeichenhafte Piktogramme, Vogelkundler auf Koloraturen. Doch bei allem Spielerischen, aller Ironie: Dem Abend haftet etwas Dringliches an, das die szenische Assoziation und die theatrale Bricolage für eine appellative Haltung nutzt – eine AgitProp-Haltung, die den stilistischen Mix an Mitteln fokussiert auf eine scharfe Kritik an der skandalösen Flüchtlingspolitik der EU.

„Orpheus in der Oberwelt“ | R: andcompany&Co. | FFT Düsseldorf | keine weiteren Vorstellungen | 0211 87 67 87 0

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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