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Schreibt bevorzugt schwarz auf weiß: Hartmut Ernst

Filme ohne Farben

28. August 2014

Über Schwarzweißfilme – Vorspann 09/14

Was ist rotes Blut in einem Schwarzweiß-Film? Richtig: Blutiger. Das erfahren wir in diesem Monat in „Sin City 2: A Dame to Kill For“, wenn Robert Rodriguez und Frank Miller die Leinwand erneut in stilisiertes Schwarz und Weiß kleiden und diesen kühlen Rahmen akzentuiert mit Farbe besprenkeln. Die Adaption von Millers visuell aufregender Comic-Welt für die Leinwand erfordert den Rückschritt nach vorn: Die Rückbesinnung auf den Schwarzweißfilm. Ganz im Sinne der Bonner Stummfilmtage, die gerade hinter uns liegen und deren frühen Filme für gewöhnlich in Schwarzweiß gedreht wurden. Schon früh in der Kinohistorie wurde Bild für Bild nachkoloriert. Filme indes, bei denen bereits beim Dreh alle drei Grundfarben einbezogen werden, erscheinen erst Mitte der 30er Jahre. Diese Entwicklung geht zeitgleich einher mit dem Durchbruch des Tonfilms, der nun den Stummfilm ablöst. Bald wurde der farbige Tonfilm Standard.

Der Schwarzweißfilm indes ist alles andere als tot. Nur wird heute schon lange nicht mehr bloß aus technischer oder finanzieller Not heraus schwarzweiß gedreht. Seit der Etablierung des Farbfilms ist die kunstvolle Reduktion auf Grauwerte auch Stilmittel. Schwarzweiß ist längst keine pure Nostalgie mehr. Es wirkt mehr als bloß historisch, wenn Michael Haneke sein in den 1910er Jahren angelegten Film „Das weiße Band“ in kunstvolles Schwarzweiß bettet, wenn Steven Spielberg dem Nazi-Grauen in „Schindlers Liste“ die Farben entzieht oder Tim Burton die Verlorenheit des Ed Wood im Hollywood der 50er so inszeniert, wie dieser seine Trashperlen: in Schwarzweiß. Auch im aktuellen Arthouse-Sektor beruft man sich gern auf den farblosen Ursprung. Pawel Pawlikowskis „Ida“, Noah Baumbachs „Frances Ha“ oder Alexander Paynes „Nebraska“ vermittelten jüngst eben damit Poesie und Stilsicherheit. Und legten souverän dar, dass die simple Reduktion der Farben zugleich danach verlangt, dass man sie beherrscht.

Woanderswird solcherlei inspirierte Rückbesinnung gern auch mal völlig schmerzfrei torpediert. Durch die Weitervermarktung im Fernsehen zum Beispiel, wenn ein amerikanischer Pay-TV-Sender eine nachkolorierte Version von „Nebraska“ durchsetzt, wie kürzlich erst geschehen. Bei den einen, allen voran Regisseur Payne, ruft dies Kopfschütteln hervor. Für andere ist diese Farbsättigung Grundvoraussetzung dafür, sich überhaupt auf diesen Film einzulassen. In Ausnahmefällen geht das auch mal anders herum. So wurde die Stephen-King-Kinoadaption „Der Nebel“ auf dem Heimkinomarkt zusätzlich als Schwarzweiß-Fassung veröffentlicht. Und eben das entsprach der ursprünglichen Intention des Regisseurs. Die Zweitauswertung: Mal Fluch, mal Segen. Doch was wirklich zählt, das ist, wie wir wissen, die Leinwand. Im Kino ist nicht nur Blut blutiger. Alles, was du dort siehst und erkennst, ist wahrhaftiger.

Hartmut Ernst

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