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Deutschland - kein Arthousepublikum?

01. November 2009

Filmwirtschaft 11/09

Der Kinobesuch in Deutschland ist bezogen auf die Bevölkerung im europäischen Vergleich mit am schlechtesten. Während in den Vereinigten Staaten die Bürger durchschnittlich 4- 5mal im Jahr ins Kino gehen, sind in Europa Länder wie Spanien und Frankreich mit 2,5-3,5 Besuchen pro Kopf und Jahr die Kino-Enthusiasten. Mit 1,5-1,6 Besuchen pro Jahr liegt Deutschland am Ende der großen Filmnationen. Unsere kleinen Nachbarländer wie die Niederlande oder Österreich sind hier schon etwas besser, Belgien deutlich besser.

Dieser Unterschied ist wenig nachvollziehbar, zumal der deutsche Kinopark eigentlich auf eine deutlich höhere Nutzung schließen lässt. Der Gesamtbesuch in einem Land ergibt sich zunächst aus der Anzahl der Besucher und ihrer jährlichen Besuchsfrequenz. Aus der Auswertung verschiedener internationaler Nutzungsstudien kann herausgelesen werden, dass es weniger an der Besuchshäufigkeit derjenigen liegt, die ins Kino gehen und diesen Besuch als normale Freizeitbeschäftigung ansehen. Es liegt vielmehr am Anteil der Gesamtbevölkerung, der überhaupt ins Kino geht. Um es einmal in Zahlen auszudrücken: Von den rund 80 Millionen in Deutschland lebenden Menschen gehen etwa 30-35% wenigstens einmal im Jahr ins Kino. In Frankreich beträgt diese Quote 40-50%, in den USA sogar 60-70%. Die Besuchsfrequenz der Nutzer liegt in den meisten Ländern im Durchschnitt zwischen 4 und 7 Besuchen pro Jahr. Allein aufgrund dieser unterschiedlichen Bedeutung, Kino als normales Freizeitvergnügen und kulturelles Angebot zu nutzen, lassen sich diese Unterschiede erklären.

Aber es werden nicht alle Filmangebote gleich stark weniger genutzt. Um hier die nationalen Unterschiede auf eine vergleichbare Basis stellen zu können, kann man die jeweiligen nationalen Besucherzahlen von Filmen ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung setzen. Damit erhält man eine sogenannte Reichweite. Wenn beispielsweise ein Film in Deutschland 8 Millionen Besucher erreicht, bedeutet dies eine Reichweite von 10%. Leider passiert dies nur alle 2-3 Jahre einmal. Ähnlich verfährt man mit den Besucherzahlen in den anderen Ländern. Dies ist gut an dem Film „Titanic“ zu sehen, der trotz seines überragenden Erfolgs im Vergleich schlechter als in unseren Nachbarländern lief (22% gegenüber 27% im europäischen Durchschnitt).

Wenn der Gesamtbesuch in einem Land deutlich höher als in Deutschland ist, dann trifft dies mutmaßlich für alle Genres und Qualitätskategorien zu. Somit sind im Bereich des sogenannten Mainstreams natürlich unsere Nachbarländer auch stärker als Deutschland, allerdings lagen die deutschen Reichweiten nur 20 bis 50% niedriger.

Im Bereich der Filmkunst stößt man dann auf die großen Unterschiede. Hier sind insbesondere unsere Filmkunst-affinen Nachbarländer Frankreich und vor allem die Schweiz mit Faktoren 5 bis 10, oder besser gesagt: 500 bis 1000% besser als Deutschland. Wenn also ein Film wie Almodóvars „Alles über meine Mutter", der in Deutschland durchaus von den Kinobetreibern als gutes Geschäft angesehen wurde, eine Reichweite von 0,3% aufwies, was etwa 240.000 Besuchern entspricht, standen dem in der Schweiz oder in Frankreich etwa zehnmal so viel gegenüber. Dieser Effekt konnte auf viele Märkte bezogen festgestellt werden, und es ergab einen eindeutigen Zusammenhang zwischen jährlichen Pro Kopf-Besuchen und der Reichweite insbesondere im Bereich der Filmkunst. Oder um den Befund noch klarer zu sagen: Im Bereich anspruchsvoller oder künstlerischer Filme sind die Länder Schweiz, Frankreich und Spanien uns deutlich überlegen. Die Briten goutieren Filmkunst, sofern sie in englischer Sprache gedreht ist, bei französischen oder anderen europäischen Filmen sind sie noch abstinenter als wir Deutschen, aber das ist nur ein schwacher Trost.

Kim Ludolf Koch

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