Als Andreas Dresens Film „Wolke 9“ vor drei Jahren in die Kinos kam, waren Kritiker und Publikum vor allem vom authentischen Spiel der Darsteller begeistert. Wie die Liebe der 65-jährigen Inge zum sieben Jahre älteren Karl erwacht, wie die beiden sich näher kommen und Inge sich schließlich von ihrem Mann Werner trennt - das war mit derart berührender Natürlichkeit verkörpert, dass man sich eine Bühnenadaption kaum vorstellen konnte. Die Uraufführung im Theater im Bauturm beweißt jetzt auf beglückende Weise das Gegenteil.
Ein weißes multifunktionales Sideboard ist das einzige Möbel auf der Bühne. Inge und Werner trinken daran gemeinsam Kaffee und streiten sich über dessen Zubereitung; sie bessert an einer Nähmaschine Kleidung aus, er liest ein Buch, gelegentlich schlafen sie miteinander – eine eigentlich intakte Ehe, die allerdings nur noch aus Routine besteht. Am anderen Ende des Sideboards schraubt der naturbegeisterte Karl an seinem Rennrad. Als Inge eine Hose für ihn ausbessert, landen die beiden sofort im Bett.
Regisseur Rüdiger Pape hat die Geschichte auf die drei Hauptfiguren konzentriert und aus dem Plot letztlich eine klassische Dreiecksgeschichte gemacht. Und wie im Film sind es auch hier die Darsteller, die begeistern. Ursula Michelis als Inge lässt die Schmetterlinge im Bauch kräftig flattern und zeigt eine tief zerrissene Liebende. Der Werner des Walter Gontermann beweist eine behäbige Schwere, die plötzlich in beißende Eifersucht umschlägt, als Inge ihm ihre neue Liebe gesteht. Der Nebenbuhler Karl wird von Christian Ballhaus zum beharrlich werbenden Liebhaber. Berührend und voller Humor gelingen der Regie gerade die kleinen beiläufigen Szenen: Wenn Inge mit kritischem Stolz ihren eigenen Körper begutachtet; wenn sie und Karl beim Sex mühevoll die Stellung wechseln oder die Freudenschreie, wenn er sie auf der Querstange des Fahrrads herumfährt. Rüdiger Pape verschweigt aber auch nicht, dass die Männer sich ähnlich sind: Was dem einen die Höchstgeschwindigkeit einer Dampflok, sind dem anderen die lateinischen Bezeichnungen von Bäumen. Am Ende deutet die Inszenierung den Selbstmord von Werner an – die Liebe im Alter ist schließlich auch vor Dramatik nicht gefeit.
„Wolke 9“ nach dem Film von Andreas Dresen | R: Rüdiger Pape I Theater im Bauturm | 1.-3., 16.-18., Do 30.6. je 20 Uhr I 0221 52 42 42
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