Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
26 27 28 29 30 31 1
2 3 4 5 6 7 8

12.605 Beiträge zu
3.828 Filmen im Forum

Wettlauf mit der Zeit

07. Mai 2010

Fotoausstellung in der photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur und im Museum Ludwig - Kunst in Köln 05/10

Die Klassiker zuerst. Bernd und Hilla Becher haben schon vor langem mit dazu beigetragen, dass sich die Fotografie als Kunst etabliert hat. Sie wurden in den wichtigsten Museen ausgestellt und mit den renommiertesten Kunstpreisen ausgezeichnet, die Veröffentlichungen über das Düsseldorfer Fotografenpaar sind unüberschaubar – und dabei passiert auf ihren Fotografien nicht gerade viel. Im Gegenteil, die Bilder sind s/w, abgezogen in einem moderaten Format. Die Darstellungen sind menschenleer, zu sehen sind die anonymen Architekturen von Industrieanlagen mit den immer gleichen Funktionen, dem immer gleichen Aussehen, aufgespürt und fotografiert überall auf der Welt. Die Methode ist nüchtern und steht im Wesentlichen schon in den 1960er Jahren fest. Die Bechers – die bis zum Tod von Bernd Becher 2007 gemeinsam gearbeitet haben – fotografieren mit einer Großbildkamera aus einiger Distanz von erhöhtem Standpunkt, so dass der Gegenstand zentriert und weitgehend vereinzelt ist. Mit dieser Sachlichkeit, in nuancierter Tonalität und Bildschärfe arbeiten sie das Vokabular und das Besondere der sonst wenig beachteten Gebäude heraus. Fasziniert von ihnen werfen sie auch ein Licht auf die unbekannten Architekten. Und indem sie die Fotos als Tableaux zu Typologien anordnen, wird die Dokumentation zur differenzierenden Bestandsaufnahme – umso mehr, da viele dieser Monumente und Zeugnisse der Industrialisierung mittlerweile abgerissen wurden. Bernd und Hilla Becher wurden zunächst im Kontext von Minimal und Concept Art wahrgenommen; mit dem Goldenen Löwen der Biennale Venedig wurden sie dann gar für Skulptur ausgezeichnet. Und vertieft man sich in dieses umfangreiche Werk, so merkt man, wie viel an Ästhetik und Gehalt darin steckt, wie vielschichtig die Erfahrungen sind, die man mit den Fotografien macht.
Es ist ein Glücksfall, dass sich über die Kooperation mit Bernd und Hilla Becher ein großer Teil ihres Werkes in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur befindet. Die Ausstellung der Fotografien zur Zeche Hannover in Bochum ist jetzt ihre vierte Schau in dieser Institution, und sie stellt einen Sonderfall dar. Sie nimmt sozusagen den Faden der Kulturhauptstadt RUHR.2010 auf; dort ist im Museum Quadrat in Bottrop noch bis Anfang Mai ein Überblick zu den Industrielandschaften der Bechers zu sehen. Die Ausstellung in Köln aber widmet sich – für die Bechers relativ ungewöhnlich – einem einzigen Ort. Zur Zeche Hannover haben sie zwischen 1971 und 1974 rund 600 Negative aufgenommen, 1973 wurde die Zeche stillgelegt. Einerseits befanden sich die Bechers dadurch im Wettlauf mit der Zeit, andererseits konnten sie sich weitgehend frei auf dem Gelände bewegen. Sie fotografieren hier in der Überschau und wenden sich ebenso einzelnen Bauten und Bauteilen zu. Aber gerade in der Unterschiedlichkeit der Perspektiven und Fokussierungen zeichnet sich die Bildgrammatik und der besondere Blick von Bernd und Hilla Becher ab – so nahe wie jetzt, in der SK Stiftung Kultur, kommt man diesen großen Fotografen selten.

AUS DER NATUR
In dieser Hinsicht ähnlich ergiebig ist die Werkschau der letzten fünfzehn Jahre, die das Museum Ludwig dem Hamburger Fotografen Jochen Lempert ausrichtet. Wie die Bechers arbeitet Lempert in s/w und analog, er geht analytisch und akribisch vor und reist dafür weit, und er formuliert ebenfalls in Bildreihen. Aber seine Bildsprache variiert mit dem Thema und dem Anliegen. Jochen Lempert, der 1958 geboren wurde, ist ausgebildeter Biologe. Er widmet sich in seiner Kunst Phänomenen von Natur- und Tierwelt. Er portraitiert ausgestorbene (präparierte) Vögel, geht Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Tier nach und fixiert verbliebene Spuren von Tieren. Und Jochen Lempert hält vorübergehende Zustände in ihrer Flüchtigkeit fest, so dass sich anhand der Symptome Erkenntnisse über Ursachen und Zusammenhänge abzeichnen. Steckt nicht auch ein derartig „aufklärerischer“ Blick hinter der Fotografie von Bernd und Hilla Becher? Also, ganz anders, aber verwandt im Geiste.

Bernd und Hilla Becher: Zeche Hannover bis 18. Juli in der Photographischen Sammlung/ SK Stiftung Kultur www.photographie-sk-kultur.de Jochen Lempert I bis 13.

Thomas Hirsch

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Karate Kid: Legends

Lesen Sie dazu auch:

Gestaltete Orte
Tata Ronkholz in der Photographischen Sammlung im Mediapark

Aus der Natur
Großartig: Karl Blossfeldt in der Photographischen Sammlung im Mediapark – kunst & gut 01/25

Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24

Alle sind älter
Porträts über das Alter in der Photographischen Sammlung im Mediapark – kunst & gut 06/24

Ereignisreiche Orte
Simone Nieweg in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung im Mediapark – kunst & gut 11/23

Sammlung ordnen
Porträt, Landschaft und Botanik in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 06/22

Klare Verhältnisse
„Von Becher bis Blume“ in der Photographischen Sammlung in Köln – Kunst in NRW 05/21

Das Beste von heute
Kölner Tanz- und Theaterpreise 2018 – Bühne 12/18

Gespür für die Zeit
„Witterungen“ in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung – kunst & gut 05/18

Fünfzig Jahre später
Photographische Sammlung: Daniel Kothenschulte erklärt „Il deserto rosso now“ – Kunst 09/17

Nackte Mütter, junge Bilder
Kurzfilmabend zu „Begegnungen von Jung und Alt“ im Filmforum – Foyer 01/17

Jingle Bells
Die Kölner Theaterpreise 2016 – Theaterleben 01/17

Kunst.

HINWEIS