Willkommen im Allerheiligsten! An der Rückwand einer Art Fanclub-Höhle prangt eine Tipp-Tabelle und in Kreideschrift „Hennes V", dazwischen ein gehörnter Schädel und rotweißer Schal. Der Altar davor ist üppig mit Heiligenstatuen, mehr oder weniger jecken Masken, FC-Reliquien und anderen lokalen Memorabilia dekoriert – ein Schrein der kölschen Quintessenz, vor dem sich in Andacht drei Männer und eine Frau versammelt haben. Das Paar und zwei seiner Freunde trauern jedoch nicht um den verblichenen Geißbock, sondern um einen zu früh aus dem Leben geschiedenen Thorsten. Man prostet einander zu und erzählt Anekdoten über den Verstorbenen, andere (flüchtige) Bekanntschaften und blickt sinnierend auf Begebenheiten in den eigenen Biografien.
Marcus Seibert (Bühnenfassung) und Heinz Simon Keller (Regie) haben Navid Kermanis Roman „Vierzig Leben" zu einem knapp anderthalbstündigen Geschichtenreigen ausgedünnt. Die mal skurrilen, mal bitteren Miniaturen überspannen eine Themenvielfalt von Rückenschmerzen bis Beziehungsproblemen, von Backgammon über Whisky-Konsum bis zu Adorno und scheuen auch vor heiklen Themen wie Vergewaltigung oder Kindstötung nicht zurück. Das alles ist explizit in Köln angesiedelt, doch die berüchtigte fröhliche oder melancholische Heimattümelei ergibt sich daraus nicht. Die Erzählungen erheben sich als Betrachtungen über das allgemein Menschliche vielmehr auf eine universelle Ebene.
Der dramaturgische Rahmen dafür ist schlüssig, die inhaltliche Komplexität und das Gewicht des analytischen Sammelsuriums hingegen bremsen eine Handlung im üblichen Sinn aus, so dass die Figuren auf der Stelle treten. Dass die Schauspieler immer wieder zu Tableaux vivants erstarren, ist insofern eine treffende Visualisierung. Sie müssen weniger interagieren und Konflikte austragen, als dass sie den wortgewaltigen, poetischen Text zu bewältigen haben – was ihnen durchweg gut gelingt. So überzeugt die Theateradaption handwerklich und macht neugierig auf ihre Vorlage. Dass dieser literarische Stoff allerdings unbedingt auf eine Bühne gehört, davon kann die Inszenierung nicht überzeugen.
„40 Leben – Kölner Geschichten" | R: Heinz Simon Keller | 11.10., 17.10., 25.10., 29.10. 20 Uhr | Theater der Keller | 0221 31 80 59
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