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Schwirrende Farbstrudel

24. Februar 2011

ComicKultur 03/11

Hanns Zischler kennt man seit Jahrzehnten als Schauspieler. Dass er 1968 den Alpheus Verlag gründete, den er vor einigen Jahren reaktivierte, ist weniger bekannt. Nun tritt er auch als Autor eines Comics auf: „Aus der Nachwelt“, dynamisch und grob straffiert illustriert von Friederike Gross, erzählt von einem erfolglosen Maler, dem Besuch aus der Zukunft ins Haus steht. Und der erzählt ihm von seiner großen, posthumen Retrospektive. Nicht nur ist die Zeitreise stimmungsvoll erzählt, auch die Zeichnungen begeistern mit einigen raffinierten Momenten, so zum Beispiel der Visualisierung von Musik (Alpheus Verlag).
Aisha Franz erzählt in ihrem Debüt „Alien“ von einer zerfallenen Familie und ihren Sehnsüchten. In kleinen Bleistiftzeichnungen entwirft die Künstlerin ein tragisches Bild von enttäuschten Hoffnungen, vertanen Chancen und selbstgezimmerten Zuflüchten (Reprodukt).
Noch ein Debüt: Mit „RPM“ erinnert Martina Lenzin an die Aufbruchsstimmung des Post-Punk, als Musiker die Selbstbestimmung entdeckten und im Do-it-yourself Verfahren ihre Musik veröffentlichten. Eingebunden in eine Rahmenhandlung, deckt Lenzin die Eckdaten jener Szene ab und reflektiert zugleich wie weit die damaligen Ideale heute noch − oder wieder − Relevanz haben (Reprodukt).
Noch eine Zeichnerin – es werden immer mehr: Jule K. „Love Rehab“ ist allerdings kein Debüt, die Hamburgerin hat sich mit ihren Comics bereits einen Namen gemacht. Mit „Love Rehab“ erzählt Jule K. wieder ein großes Liebesdrama. Charlotta wird von ihrem Freund verlassen. Ein Selbstmordversuch, eine Liebesentzugsklinik und eine Reise nach Australien – nichts hilft der verzweifelten Comicladenbesitzerin. Jule K. paart Herzschmerzromantik mit Idealen von Mädchenfreundschaft und ewiger Treue in ihrem furios campen Herz-Schmerz-Drama (Edition 52).

Ein alter Hase ist Joann Sfar. Seine Serie „Klezmer“ um eine Gruppe von Musikern im Odessa des frühen letzten Jahrhunderts geht in die dritte Runde: In „Diebe, alles Diebe“ müssen sich die Musiker nach dem rauschenden Fest des zweiten Bandes in ihrer neuen Heimat zurechtfinden. Dabei geht es ordentlich zur Sache, denn das Machtgefüge ist zwar verworren, aber im direkten Körperkontakt mit allerlei Dieben recht deutlich. Getragen von Sfars schwirrenden Farbstrudeln gleitet die Tragikomödie weiter in unbekannte Sphären (avant-verlag).
Mit „Martha Washington“ schuf Frank Miller in den frühen 90er Jahren eine martialische Heldin, die sich gegen eine korrupte Männerhorde in Politik und Militär zur Wehr setzen muss. eine Gesellschaftssatire birgt immer noch überraschend aktuelle Momente. Alleine die überbordende Grafik ist deutlich in der Entstehungszeit verortet. Mit dem dritten Sammelband „Martha rettet die Welt“ liegt nun erstmals die komplette Serie inklusive aller Kurzgeschichten auf deutsch vor (Panini). 
Das Hamburger Comicmagazin „Orang“ versammelt seit 2002 regelmäßig thematisch gebündelt Kurzgeschichten. Inzwischen ist man bei der neunten Ausgabe angelangt und widmet sich frei assoziativ dem Begriff „Atlas“. Auf 176 Seiten präsentieren 17 KünstlerInnen, darunter Aisha Franz, Moki oder Verena Braun, magische, fantastische Welten. Tierfiguren sind hier nach wie vor hoch im Kurs (Reprodukt).

Christian Meyer

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