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„re:build – building common spaces“ in der Hüttenstraße
Foto: Silviu Guiman

„Ehrenfeld verliert seinen identitätsgebenden Faktor“

25. Juli 2019

Iren Tonoian über die Kampagne re:claim Ehrenfeld – Interview 07/19

Mitten in Köln-Ehrenfeld gibt es noch ungenutzten Raum: zum Beispiel die Bahnbögen unter der S-Bahn. Das CityLeaks Urban Art Festival, das 2017 auf dem damals vernachlässigten Ebertplatz stattfand, will diesmal, ab dem 31. August, auf die Gentrifizierung in Ehrenfeld aufmerksam machen, die mit einem „kulturellen Kahlschlag“ verbunden sei. In drei der Bahnbögen an der Hüttenstraße wird das italienische Kollektiv Studio Orizzontale als Festivalzentrum seinen temporären Bau „Simul et Singulis – zusammen und man selbst sein“ verwirklichen, als Ergebnis einer kürzlich abgeschlossenen Forschungsphase. Diesen Monat startete eine Crowdfunding-Kampagne, die den Aufbau ermöglichen und bei der Finanzierung des Festivals helfen soll. Wir sprachen mit Iren Tonoian von der CityLeaks-Festivalleitung.

Iren Tonoian
Foto: Alexander Böhle PhotoProduction
ZUR PERSON
Iren Tonoian vom artrmx e.V. bildet mit Margrit Miebach und Georg Barringhaus das kuratorische Team des internationalen Urban Art Festivals CityLeaks. Sie studierte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Medienwissenschaften, Germanistik und Slawistik. Seit 2012 leitet sie das Atelierzentrum Ehrenfeld.

choices: Iren, was für Entwicklungen seht ihr aktuell in Ehrenfeld mit Sorge?
Iren Tonoian: Das große lokal wie global bestehende Problem, das gerade in besonderem Maße Ehrenfeld trifft, ist die fortschreitende Gentrifizierung und der damit einhergehende Strukturwandel. Brachliegende Flächen, auf dessen Nährboden jahrelang viel Platz für die Entstehung von Kunst und Kultur gegeben war, werden von Investoren für zweifelhafte Bauprojekte aufgekauft und verbaut. Die Möglichkeiten für die kreative Szene sich zu entfalten, werden konstant geringer und Ehrenfeld verliert so seinen identitätsgebenden Faktor, der den Stadtteil bei seinen Bewohnern*innen, aber auch den Investoren so beliebt gemacht hat.

Speziell die Bahnbögen in der Hüttenstraße habt ihr für eine kulturelle Nutzung in den Blick genommen. Wie viele sind das überhaupt und wie viel freier Raum gehört dazu?
Insgesamt sind es 50 Bahnbögen, die sich entlang der Hüttenstraße, der Bartholomäus-Schink-Straße, der Heliosstraße bis zum Eigelstein reihen. Bei der Ausrichtung des Festivals werden drei der leerstehenden Bögen in der Hüttenstraße von uns mit neuen Funktionen ausgestattet und bespielt. Am 31. August um 14 Uhr eröffnet Oberbürgermeisterin Henriette Reker das Festival Center „Simul et Singulis – zusammen und man selbst sein“. Zuvor wird es vom 9. bis 30. August gebaut, wofür wir noch nach ehrenamtlichen Helfer*innen suchen.


Foto: Miriam Hamel

Darf man die Bögen überhaupt nutzen und sind die ausreichend sauber und sicher?
Um die Bögen als Festival-Center nutzen zu können, werden sie von uns zuvor natürlich gesäubert und nach allen notwendigen Auflagen für die temporäre Nutzung als Veranstaltungsfläche gesichert. Die Architektur der Bögen ist stabil. Um Vermüllung und öffentliche Lagerstätten zu unterbinden, werden sie vom Betreiber, der Bahnbogen GmbH aktuell noch verschlossen gehalten. Unser Anliegen wäre es, während der Festival-Laufzeit die Bauzäune zu öffnen und durch unsere Präsenz und mit wachsamer Hilfe der Nachbarschaft eine mögliche Vermüllung zu unterbinden.

Was sind die offenen Fragen und was steht einer dauerhaften kulturellen Nutzung noch entgegen? Habt ihr genug Unterstützer in Politik und Verwaltung?
Unterstützung in Politik und Verwaltung haben wir zum Glück ausreichend und wir danken allen, die uns unterstützen. Um in den Bahnbögen über dauerhafte Nutzung zu sprechen, müssen diese zunächst einmal umfassend saniert werden. Hier sind jedoch unseres Wissens nach die komplizierten Besitzverhältnisse zwischen dem Pächter, der Bahnbogen GmbH Köln, der Deutschen Bahn und der Stadt Köln erschwerend gewesen.

Was für Ideen habt ihr dazu aus der Bürgerschaft erhalten und was passiert damit?
Wir haben ein sehr breites Interesse und einen großen Zuspruch seitens der Bevölkerung und vor allem seitens der Nachbarschaft in der Hüttenstraße erfahren. Viele haben ihr Interesse im Rahmen unseres Forschungsprojektes „Transurban Residency – re:build Common Spaces“, welches im Mai 2019 in den Bahnbögen stattfand, bekundet und Ideen beigetragen. Diese reichen von der Belebung der Orte durch Gastronomie, über die Schaffung von Atelier- und Arbeitsflächen für Künstler und Kreative, bis hin zur Nutzung für Sportvereine oder auch als Stätte für einen Fahrradverleih. Natürlich hat auch das Festival Ansprüche an die Architektur, die in den Bahnbögen eine Veranstaltungsfläche mit Ausstellungs- und Präsentationsflächen benötigt, eine Holz- und eine Druckwerkstatt beherbergt sowie Raum zum Verweilen und Austausch bietet. Die Transformation der ungenutzten, leerstehenden Bahnbögen in einen gemeinschaftlich entwickelten und genutzten Common Space ist das wichtigste Anliegen des Festivals in 2019 und ein Beispiel dafür, wie wir uns als Ehrenfelder nachhaltige, verantwortungsvolle und bürgernahe Stadtentwicklung vorstellen.

Warum habt ihr euch nun für eine Crowdfunding-Kampagne entschieden?
Das CityLeaks Festival kann nur durch die Unterstützung von Förderern und Sponsoren umgesetzt werden. Leider sind unsere finanziellen Mittel in diesem Jahr sehr knapp bemessen. Daher sind wir, speziell bei dem Bau des Festival Centers in der Hüttenstraße, auf zusätzliche Hilfe von Unterstützer*innen angewiesen. Mit dem dort erzielten Betrag wollen wir Materialkosten und die leibliche Versorgung der freiwilligen Helfer vor Ort decken. Sollten wir Mittel erhalten, die über unserem Fundingziel von 5000 € liegen, sind wir in der Lage, auch das Programm kooperierender Partner mitzufinanzieren.

Wird das Festivalzentrum von Studio Orizzontale eine rein temporäre Architektur werden oder gibt es auch dauerhafte Eingriffe?
Leider wird die Architektur des Festival Centers vorerst eine temporäre Installation bleiben. Sie zeigt allerdings auf, welche Möglichkeiten bei der Belebung urbaner, bracher Fläche bestehen und soll Politik und Verwaltung motivieren und aktivieren, kreative Ansätze bei der Stadtplanung zu ermöglichen. Gleichzeitig wirkt mit, dass wir – Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, verantwortliche Politikerinnen und Politiker, ausführende Verwaltung und interessierte Investoren – unsere Städte gemeinschaftlich entwickeln möchten! Denn Stadtplanung geht uns alle etwas an und wir alle können und möchten unseren Beitrag dazu leisten. Love(y)ourcity!

CityLeaks Urban Art Festival | 31.8. - 21.9. | Köln-Ehrenfeld | cityleaks-festival.de | Crowdfunding-Kampage re:claim Ehrenfeld: www.startnext.com/reclaim-ehrenfeld

Interview: Jan Schliecker

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