Eigentlich ist alles ganz einfach. Am Arbeitsplatz gibt es Ohrenschützer, wenn es zu laut wird. Zu Hause stopft sich mancheR gelegentlich Oropax in die Gehörgänge. Denn wenn ein gewisser Geräuschpegel überschritten ist, geht einem der Lärm im wahrsten Sinne des Wortes auf die Nerven. Insbesondere nachts macht eine intensivere Beschallung über längere Zeit hinweg krank. Für die Weltgesundheitsorganisation, die WHO ist das längst keine Frage mehr. Auch neuere Forschungen haben bestätigt: Die Palette der gesundheitlichen Schäden ist breit.Sie reicht von einem kaputten Gehör und der Verschärfung bestehender Krankheiten über Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und psychische Folgen wie Aggressivität, Erschöpfung und Schlaflosigkeit bis hin zur „vorzeitigen Morbidität und Mortalität“. „Auch wenn Menschen schlafen“, konstatiert die WHO, „reagieren ihre Ohren, ihr Gehirn und ihr Körper trotzdem weiter auf Geräusche.“ Beispiel Fluglärm. Die Betroffenen leiden auch dann darunter, wenn sie davon nicht aufwachen. Statistisch gesehen sterben in Nordrhein-Westfalen mehr Menschen durch Verkehrslärm als durch Verkehrsunfälle. Deshalb sollte auch in einer Großstadt wie Köln der Geräuschteppich des Nachts 45 dB(A) nicht wesentlich überschreiten.
Ermessensspielräume
JedeR hat ein Recht auf ruhigen Schlaf: Das Grundrecht auf die damit verbundene körperliche Unversehrtheit darf im Grundsatz von niemandem beeinträchtigt werden. Staat und Kommunen sind deshalb verpflichtet, die Belastung durch Lärm auf ein erträgliches Maß einzudämmen. Dabei geht es nicht nur um die Gesundheit der Betroffenen, es können auch Eigentumsrechte von Haus- und Wohnungseigentümer betroffen sein. Lärm rechtfertigt unter Umständen Mietminderungen und lässt manchmal sogar den Wert eines Grundstücks sinken. Nicht umsonst hat sich der Kölner Haus- und Grundeigentümerverein ein entsprechendes Rechtsgutachten erstellen lassen. Andererseits: Wenn man in die Altstadt oder das Quartier Latäng zieht, weiß schon vorher, dass es laut werden kann – das muss man dann aushalten können. Und zu den Luxuswohnungen im Rheinauhafen gehört nun mal auch die dieselgetriebene Rheinschifffahrt. Mindestens umstritten ist die Lage am Brüsseler Platz. Nicht nur, wenn in lauen Sommernächten meist jüngere Leute den Platz bevölkern, ist es hier laut. Auch ohne Besucher wird der Normpegel mit 53,9 dB(A) deutlich überschritten. So kommt einiges zusammen: Leute, die vielfältig miteinander kommunizieren, auch mal mit Gläsern und Glasflaschen hantieren, dazu der Straßen-, Schienen- und Flugverkehr, die Müllabfuhr oder Hunde, die bellen. Am Beispiel des Platzes wird ein grundsätzliches Problem deutlich. Ist der Normalpegel relativ hoch, kann schon ein wenig Mehr an Krach zu einer deutlichen Überschreitung des Grenzwertes führen. Zwar hat sich die Lage am Platz inzwischen leicht verbessert, doch so richtig funktioniert haben die Lösungsvorschläge bisher nicht, konstatiert auch der Moderator, der mit Anwohnern, Party-Gängern, Gastronomie und Stadt nach Lösungen suchen sollte. Die Diskussion ist nicht nur aus seiner Sicht noch lange nicht zu Ende.
Überflüssige Nachtflüge
Ein anderer Dauerbrenner der nächtlichen Ruhestörung sind die Starts und Landungen auf dem Flughafen Köln/Bonn. Bei der Zahl der nächtlichen Flugbewegungen ist der Airport einsame Spitze in Europa. In London Heathrow liegt sie bei 16, in Düsseldorf bei 17, in Köln/Bonn bei 93. Eben hat das Bundesverwaltungsgericht die rechtwidrig zugelassenen 17 Nachtflüge am Frankfurter Flughafen gestoppt. Auch die Flugbewegungen in den sogenannten Nachtrandstunden seien zu überprüfen, so das Gericht: „Die Nacht darf nicht zum Tag werden.“ Damit ist eine weitere Runde des langjährigen Streites um einen einigermaßen fairen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Interessen und Grundrechten der Anwohner eröffnet. Internationale Verbände wie das Airports Council International (ACI) sind dabei weiter als die hiesigen Lobbys. So plädiert das ACI schon lange für eine abgestufte Bewertung der Flüge nach ihrer Geräuschintensität. Nachtflüge müssen danach „leise“ sein. Das Bundesverkehrsministerium hat eine Übernahme dieser Richtlinie abgelehnt. Die vormalige NRW-Landesregierung Rüttgers (Verkehrsminister Oliver Wittke, CDU) haben FedEx zuliebe die eigentlich nur bis 2015 geltende und aus gesundheitspolitischen Gründen unzulängliche Nachtflugregelung für Köln/Bonn vorzeitig bis 2030 verlängert. Ein völliges Nachtflugverbot wollen auch Hannelore Kraft (SPD) oder OB Jürgen Roters (SPD) nicht. Nichtsdestotrotz möchte man jetzt immerhin beim zuständigen Bundesverkehrsminister einen Antrag auf ein Verbot nächtlicher Passagierflüge stellen – sie sind übrigens oft leiser als Frachtflüge. Der Ausgang ist ungewiss. Ob Nachtflüge wirtschaftlich überhaupt Sinn machen, ist umstritten. Der Kasseler Logistikprofessor Richard Vahrenkamp hat die Sachlage untersucht und bilanziert: „Die verladende Wirtschaft hat keinen Bedarf an Nachtflügen.“ Ihre Notwendigkeit sei ein „Märchen, das Ergebnis eines extrem erfolgreichen Marketings“ der Luftfahrt-Lobby. Auch die vergleichsweise langen Laufzeiten der Luftfracht stünden im Widerspruch zur oftmals behaupteten Eilbedürftigkeit.
Ach ja – auch nicht zu vergessen: Lärm, sofern mit Musik oder Fußball verbunden, wird nicht immer als störend empfunden. Lärm ist nicht gleich Lärm und zudem eine subjektive Größe.
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