Am 26. Mai ist Europawahl. Vermutlich werden erneut weniger als die Hälfte der deutschen Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben. 43 Prozent stimmten bei der Wahl 2014 ab – weit weniger als bei der Bundestagswahl. Das ist schade – finden auch die Mitglieder der Europa-Union Köln. Sie glauben an eine positive Zukunft Europas und daran, dass es trotz all seiner Schwächen reformierbar und demokratisierbar ist.
Es sei deshalb wichtig, „die Menschen über Europa zu informieren“, so Tobias Kunstein, Mitglied des Vorstandes und Schatzmeister des Kölner Vereins. Die wenigsten Bürger, vermutet er, würden die Kandidaten der Landeslisten kennen, die sie indirekt wählen können. Die Wahlprogramme der Parteien seien leider sehr lang – selbst eines der Kürzeren habe noch 80 Seiten. Man müsse Europathemen daher „auf kleine Sachfragen reduzieren“.
141 eingeschriebene Mitglieder hat der unabhängige und überparteiliche Verein. Die Europa-Union Köln ist Teil der Europa-Union Deutschland, der größten Bürgerinitiative für Europa und der deutsche Zweig der Union europäischer Föderalisten. 15 Landesverbände und rund 350 Kreis-, Orts-, und Stadtverbände gibt es in Deutschland, gut vernetzt mit Vereinen aus anderen europäischen Ländern. Gemeinsam mit der Volkshochschule, dem Europäischen Dokumentationszentrum der Universitäts- und Stadtbibliothek und anderen Institutionen organisiert die Europa-Union Köln Vortragsveranstaltungen, Diskussionsforen und Studienfahrten.
Wie kann eine positive Vision aussehen? Europa könne in „kleinen Schritten“ reformiert werden, sagt Kunstein, der außerdem Geschäftsführer des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln ist und zur Außenvertretung der europäischen Währung Euro promovierte. Nächste Ziel sei eine bessere Kooperation und Organisation der Staaten untereinander, für die Zukunft außerdem allgemeinverbindliche Sozialstandards. Das Ideal der „Vereinigten Staaten von Europa“ oder eines europäischen Bundesstaats, wie es die Satzung des Vereins formuliert, stehe „nach den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte jedoch in den Sternen.“ Ein besseres Europa bedeute bei grenzüberschreitenden Anliegen mehr zentrale Steuerung und damit weniger Entscheidungskompetenz der Nationalstaaten.
Kunstein nennt ein Beispiel: Es sei wichtig, „dass sich die Mitgliedstaaten der EU darauf einigen, große Internetkonzerne zu besteuern.“ Das funktioniere nur, wenn es in ganz Europa gleichzeitig umgesetzt werde. Doch solche Vorhaben scheiterten häufig an den Egoismen der einzelnen Nationalstaaten. In vielen Bereichen gilt auf EU-Ebene das Vetorecht: Alle Staaten müssen sich einig sein, bevor etwas beschlossen wird.
Wie lässt sich Begeisterung für ein besseren Europas wecken? „Jetzt hat die EU einen gewissen Bekanntheitsgrad, aber leider eher durch die Krisen der letzten Jahre“, sagt Kunstein. Viele Menschen würden sich fragen, was die EU eigentlich für sie tue. Es sei schwer, für eine Bürokratie zu begeistern. Positiv sei, dass sich neben den EU-Skeptikern auch die EU-Befürworter deutlicher artikulierten. Von einfachen Ja/Nein-Referenden auf EU-Ebene hält er jedoch wenig. Dabei komme selten etwas Gutes heraus, wie man am Brexit-Debakel sehe.
Kunstein räumt ein: zu den Diskussionsveranstaltungen der Europa-Union Köln, zu denen auch Politiker eingeladen werden, kämen oft dieselben Leute – Akademiker, die bereits Ahnung vom Thema haben. Das liegt vielleicht auch an der universitären Ausrichtung des Vereins. „Zum Handwerker haben wir wenig Kontakt“, so Kunstein. Europa-Interessierte bis 35 Jahren werden automatisch Mitglied der Jungen Europäischen Föderalisten, dem eigenständigen Nachwuchsverein der Europa-Union. Diese würden sich auch schon mal in die Straßen stellen und Flyer verteilen, erzählt Kunstein. An der eigenen Öffentlichkeitsarbeit könne man noch arbeiten, um mehr Menschen zu erreichen und mit ihnen in den Dialog zu treten.
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