„Das sind kleine Kunstwerke und nicht nur Aktionen, bei denen man Kinder ein bisschen hüpfen lässt“, sagt Rendel Platz, eine Tanzlehrerin, voller Respekt, die selbst das Metier des Kindertanzes seit Jahrzehnten kennt. Sie kommt als Zuschauerin zum ersten Mal zu Dynamo, einem zweitägigen Projekt, das vom nrw landesbüro tanz organisiert wurde und unter der Bezeichnung „Junge Tanzplattform“ in Kölns Alter Feuerwache seine Ergebnisse vorstellt. Gleich die erste Produktion, in der Sonia Franken vom Choreographen Netzwerk Barnes Crossing ihre Zusammenarbeit mit den Schülern der 7b des Hildegard von Bingen Gymnasiums vorstellt, elektrisiert das Publikum in der komplett besetzten Feuerwache.
„Karussell“ nennt sich die Inszenierung. „Wir haben für einige Wochen ein neues Schulfach im Gymnasium eingeführt. Statt Sport gab es „Improvisationen““, erklärt Sonia Franken. Aus den gemeinsamen Ideen entstand eine eigene Choreographie, die sich mit fließender Eleganz abspult. Die Struktur des Karussells stellt sich in den Bewegungsabläufen der Kinder immer wieder her. Es wirkt nicht alleine imponierend, die Bühne der Feuerwache einmal so klug von einem großen Ensemble genutzt zu sehen, wie es der Freie Szene im normalen Tanzbertrieb niemals möglich ist. Ein Genuss sind auch die Wechsel zwischen originellen Bildern und ihrer Auflösung. So dass Bewegung immer wieder einem aussagekräftigen Breitwand-Arrangement zustrebt und kaum geronnen, in neue Aktion aufgelöst wird. Sonia Franken besitzt offensichtlich ein besonderes Talent, um die Möglichkeiten der Kinder, die gerade mit ihr arbeiten, einzuschätzen und optimal zu nutzen.
Die mechanische Variante des Tanzes wählt Uta Sander in ihrer Choreographie „Vis à Vis“, bei dem die beteiligten Kinder aus Köln-Mülheim ein Beziehungsnetzt aus Positionen knüpfen, das gleich Landmarken den Raum strukturiert. Vielleicht eine Dimension zu wuchtig fällt das Projekt „Maculinhos“ aus, in dem Birgit Zimmermann eine Episode aus der Geschichte der Sklaverei thematisiert. Eindrucksvolle Filmaufnahmen afrikanischer Männer und Frauen leiten die Geschichte ein, bis dann die Erstklässler in Aktion treten. Sie verwandeln sich von Sklaven in kleine Rebellen, die mit ihren Wasserflaschen effektvoll den Aufstand gegen die Herrschaft des Weißen Mannes proben. Erst gut zehn Wochen befinden sich diese Kinder in der Schule und dennoch besticht die Sicherheit ihres Auftretens, bei dem Timing und Entschlossenheit verblüffend präzise funktionieren. Aber dieser Einsatz entwickelt sich eben auch vor dem Hintergrund der Tanzklassen, in denen die Sankt Elisabeth Schule in Blatzheim ihr Konzept einer Kombination von Lernen und Tanzen praktiziert. Der Tanz wird so zum festen Bestandteil des Schulalltags. Die Früchte dieser Arbeit sind schon nach kurzer Zeit zu sehen, wie Dynamo beweist.
Erfolge anderer Art zeigen die Künstler Paula Scherf und André Lehnert gemeinsam mit der Tänzerin Mirka Flögl. Ihre Inszenierung „Irgendwie Anders“, die nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Kathryn Cave und Chri Riddell entstand, geht aus Probenarbeiten mit drei Grundschulen hervor. Eine Clowniade entwickelt sich, in die viele Ideen, tänzerische Effekte und eine permanente Kommunikation mit dem Publikum eingegangen ist. Das, was in der Welt der Tanzstücke für Erwachsene nur ganz selten mit einem ästhetischen Mehrwert für das Publikum gesegnet ist, gelingt hier: Der Dialog zwischen Tanz und digitalen Bildern. Timing und Animation von André Lehnert besitzen eine kreative Professionalität, die den Tanzaktionen spielerisch Sinn verleiht. Auch wenn die Inszenierung dramaturgisch gestrafft werden müsste, faszinierte sie das junge Publikum gleichwohl bis zum letzten Bild.
Das „Andere“ an „Irgendwie Anders“ besticht aber auch auf einem weiteren Feld. Hier werden die Kinder in den Umgang mit Metaphern eingeführt. In einer digitalen Welt, die von der Information geprägt ist, die den doppelten Boden des Beziehungsreichtums nicht kennt, können sie sich mit Hilfe des Tanzes darin üben, dass man Dinge vermittelt erzählen kann. Der Tanz hält über Gebrauch von Bewegungsmustern hinaus die Möglichkeit bereit, reales Leben in die Sprache eines anderen Mediums zu übersetzen. Die Bilder dafür zu finden, hilft dabei, Distanz zum Geschehen des Alltags zu finden. Es zu durchschauen und darüber zu lachen. Ein Instrument, das am Eröffnungstag von Dynamo ausgiebig genutzt werden konnte. Dynamo reist weiter nach Krefeld, wo am 24. und 25. Januar in der Fabrik Heeder Tanz aus den Schulen gezeigt wird. Das Erfolgsrezept ist erkannt worden, so dass Dynamo wohl bald auch durch weite Teile des Landes Nordrhein-Westfalen touren kann.
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