Es fällt schon auf: Jüngere Inszenierungen zeigen sich zunehmend arg „schräg“ und scheuern stramm am Libretto vorbei, denn kein Regisseur möchte von der Presse hören, seine Fassung der Oper sei „halt wie üblich“. Der Grund: Mit „Durchschnitt“ wird niemand bekannt. So muss man sich auch fragen, was das kanadische Produktionsteam Renaud Duchet (Inszenierung) und Bühne/Kostüme (André Barbe) geritten hat, Domenico Cimarosas Dramma giocoso „Il Matrimonio Segreto“, das Lustspiel von der heimlichen Ehe, ausgerechnet in einem Hühnerstall und von den „einheimischen“ Bewohnern spielen zu lassen. Cimarosa, ein Zeitgenosse Mozarts, hatte ca. 70 Opern geschrieben, aber nur dieser Buffa war ein riesiger Dauererfolg beschieden. Österreichs Kaiser Leopold II. war so begeistert, dass er der Werk gleich noch einmal spielen ließ – bei knapp vier Stunden Spieldauer schon eine große Herausforderung für die Akteure.
Diese Oper wurde in früheren Zeiten erbarmungslos gekürzt, etlicher Koloraturen beraubt und schlimm umgestaltet; so verschwand sie weitgehend von den Spielplänen. Anlässlich der 40. Jubiläums der Innsbrucker Festwochen für alte Musik hat der Dirigent Alessandro de Marchi das Werk wieder in der ursprünglichen Version auf die Bühne gebracht und damit einen großen Triumph eingefahren; die Aufführung in Köln war übrigens eine Übernahme aus Innsbruck. Der Erfolg lag allerdings auch an der originellen Inszenierung, mit überdimensionalen Bücherstapeln und riesigen ausrangierten Möbeln in einer alten Scheune. So werden die Größenordnungen leicht gewahrt, die Zuschauer sehen alles aus der Hühnerperspektive. Im Gegensatz zu den damaligen bissigen Satiren über die Geldheiraten der Oberschicht bietet die Oper eine kurzweilige Geschichte zu herrlicher Musik (wenn Cimarosa auch bei weitem nicht die Klasse von Mozart erreicht), wo die jungen Liebenden sich finden und der reiche Graf, der ein Auge auf die junge Hübsche geworfen hatte, nicht zum Zuge kommt. Aber immerhin kassiert er noch eine saftige Mitgift in Form eines großen goldenen Eis, als er die weniger attraktive Schwester ehelicht. Denn die Angebetete hatte bereits heimlich Paolino, den Sekretär ihres Vaters Geronimo, geheiratet.
Die Akteure auf der Bühne sind sehr originell und farbenfroh gekleidet, die Damen tragen nicht nur bunte pompöse Krinolinen des französischen Hofes und haben mächtige Busen. Nein, sie bewegen sich auch im Hühnermarsch, scharren mit den Füßen, rupfen sich bei Kummer die Federn aus und bewegen den Hals nach Hühnermanier; auch die formulierten Übertitel machen den Spaß mit („Streithenne“ „Eingebildete Pute“). Die Herren bzw. die Hähne stehe dem in nichts nach: Hahnenkamm und Kehllappen, dominante Schwanzfedern und ein gockelhaftes Gehabe. Die zahlreichen Koloraturen und die begleitende Musik lässt schon an „Krach im Hühnerstall“ denken – vielleicht war das auch Intention von Cimarosa, menschliches Verhalten durch Tiere zu karikierten.
Dirigent Gianluca Capuano hatte bereits mehrfach in Köln durch sein federndes, aufmerksames Dirigat geglänzt, er arbeitete mit dem Gürzenichorchester die Klangvielfalt und die vielen Petitessen mit rhythmischer Frische und lyrischer Eleganz gewissenhaft und glänzend heraus. Luca Marcossi begleitete souverän und tempointensiv die teilweise langen Secco-Rezitative. Das Gürzenichorchester nahm die Begeisterung von Capuano bereitwillig auf und erfreute mit präzisem Spiel und prachtvollen Bläsern. Dazu die bunte quirlige Sängerschar: Den kommödianten Papa Geronimo (Donato di Stefano) mit herrlichem Bass und großer Spielfreude und den Graf Robinson (Renato Girolami) mit sängerischer Exzellenz; ihr Hahnenkampf auf der Bühne war ein besonderer Genuss. Beide hatten bereits in Innsbruck diese Rollen inne und waren daher gut einstudiert. Anna Palimina und Emily Hinrichs waren die beiden Töchter des Geronimo, sie sangen mit klug dosiertem Temperament und sicherer Höhe ihre halsbrecherischen Koloraturen. Fidalma, die Schwester des Geronimo, sang und spielte Jennifer Larmore mit wunderbarem Mezzo. Auch Norman Reinhard als heimlicher Ehemann passt szenisch und stimmlich ganz prima ins Team. Viel Spaß machten auch zwei akrobatisch Flickflack springende Statisten als Tauben, die den Hühnern die Maiskolben wegfressen.
Fazit: Ein herrlicher und erfrischender Opernabend, vielleicht ein wenig lang, aber keineswegs langweilig.
„Il Matrimonio Segreto“ | R: Renaud Doucet | 27.6., 5., 7., 13.7. je 19.30 Uhr, 1., 15.7. je 18 Uhr | Oper Köln, Staatenhaus Saal 2 | 0221 221 284 00
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