Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
29 30 1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11 12

12.562 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

„eins.eins.null.“
Foto: Wolfgang Weimer

Blut am Schuh

29. März 2012

Gedanken über die Polizei - Theater am Rhein 04/12

Ein Polizist wurde auch im Publikum gesichtet. Nicht, weil in der Studiobühne ein Kriminaltatbestand erfüllt oder auf der Bühne Gefahr im Verzug gewesen wäre. Das Stück „eins.eins.null.“ handelt von der Polizei: vom Alltag der Polizisten, ihren Aufgaben, ihrem Ansehen, von Frust und schlechtem Kaffee. Der junge Regisseur Niklas Schulz hat für seine erste Inszenierung Texte von der Homepage „Polizeipoeten“ verwendet, auf der Polizisten mit Texten unterschiedlicher Genres ihr Tun beschreiben und reflektieren. Da wird über eine Demo gegen die Castor-Transporte berichtet und der hochaggressiven Stimmung, die plötzlich in nackte Gewalt umschlägt. Am Ende liegt ein Polizist im Krankenhaus mit dem Blut eines Demonstranten am Schuh, und er fragt sich nach dem Sinn der Aktion. Oder zwei Uniformierte müssen schweigend der Trauer eines jungen Paars zusehen, dessen sechsjährige Tochter gerade ertrunken ist. Diese Erfahrungs- und Selbstbefragungstexte werden aus dem Off eingespielt, während drei Schauspieler im schwachen Gegenlicht fast still verharren. Die Drastik der Texte ist darstellerisch nicht zu interpretieren. Die Polizei bleibt aber auch das Fremde, Abwesende, das als körperlose Stimme über allem schwebt – wie immer man das deutet.

Verblüffend ist dann aber die zwischen Ironie und Hilflosigkeit schwankende Haltung des Trios: Man posiert mit Demogesten, mokiert sich mit Schmähungen und Sarkasmen über die „Bullen“ („Hallo! Der schwarze Block hat auch Gefühle!“), veranstaltet ein heiteres Polizeiserienraten. Ein bisschen selbstreferentielles Diskutieren über die Produktion darf auch nicht fehlen. Die drei agieren in einem Geviert aus Absperrgittern und -band. Ein Käfig, der die Darsteller weniger einsperrt als sie zu Behüteten macht, die sogar mit einem ferngesteuerten Polizeiauto spielen. In harschem Kontrast dazu dann eine realistisch ausgespielte Folterszene: eine Anspielung auf die Anordnung von Polizeipräsident Daschner, aus dem Kindesentführer Markus Gäffgen Infos über den kleinen Jakob Metzler herauszupressen. Niklas Schulz gelingt eine verblüffend gut durchrhythmisierte Aufführung, die mit wirkungsvollen Kontrasten arbeitet und nicht in Klischees verfällt – nur gelegentlich etwas zu polizeifreundlich ist.

„eins.eins.null.“ | R: Niklas Schulz | Studiobühne | 25.-29.4., 20 Uhr | 0221 470 45 13 | www.studiobuehne-koeln.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

The Fall Guy

Lesen Sie dazu auch:

„I am present but I don‘t exist“
West Off 2023 in Bonn, Köln und Düsseldorf – Prolog 11/23

„Ein interdisziplinäres großes Theaterhaus für die Stadt“
Die Dramaturgin Stawrula Panagiotaki übernimmt die Leitung der Studiobühne – Premiere 11/23

Metaebene der Clowns
„Clowns“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 07/23

„Offen für experimentelle Formen und alles Neue“
Dietmar Kobboldt geht als Leiter der Studiobühne in den Ruhestand – Premiere 07/23

Perforierte Sprachgrenze
Die Studiobühne zeigt „Total“ – Theater am Rhein 05/23

Bedrohliche Fürsorge
„(S)Caring“ an der Studiobühne Köln – Auftritt 05/23

Spätes Licht
Studiobühne zeigt „Nachttarif“ – Theater am Rhein 04/23

Mit Ulrike Meinhof reden
„lieber wütend als depressed“ des Parasites Ensemble – Auftritt 10/22

„Ein Konzeptalbum, das sich mit Köln auseinandersetzt“
Daniel Schüßler über„Shit(t)y Vol.1.“ in der Tanzfaktur – Premiere 09/22

Wurzeln, Muskeln, queere Körper
„Mandragora“ in der Tanzfaktur – Auftritt 08/22

„Ab wann kippt ein freier Geist?“
Constantin Hochkeppel & Collaborators über „Tipping Points“ – Premiere 04/22

Sprungbrett für den Nachwuchs
Festival West Off an der Studiobühne – Prolog 03/22

Theater am Rhein.

Hier erscheint die Aufforderung!