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Anja Niedringhaus, Zivilisten auf der Flucht
Foto: Anja Niedringhaus/AP

Eine Sekunde

24. April 2019

Das fotografische Werk von Anja Niedringhaus – kunst & gut 05/19

Bekannt war Anja Niedringhaus mit ihrem fotografischen Werk schon früh: Sie ist, gemeinsam mit weiteren Associated-Press-Fotografen, mit dem Pulitzerpreis für ihre Berichterstattung aus dem Irak ausgezeichnet worden, und sowohl ihre Kriegs- als auch Sport-Fotografien sind weltweit publiziert und in Museen ausgestellt worden. Viele ihrer Aufnahmen, die ohne Namensnennung publiziert wurden, gehören zum kollektiven Gedächtnis zeithistorischer Ereignisse. Aber erst mit ihrem Tod bei einem Anschlag im April 2014 in Afghanistan wurde sie über die Fachkreise hinaus berühmt. Derzeit ist sie im Düsseldorfer Kunstpalast in der Ausstellung „Fotografinnen an der Front“ vertreten. In Köln widmet ihr das Käthe Kollwitz Museum nun eine Einzelausstellung.

Anja Niedringhaus wurde 1965 in Höxter geboren. Sie beginnt bei der Lokalredaktion der dortigen Zeitung und gibt das Studium der Germanistik für den Einstieg bei der European Pressphoto Agency auf, für die sie ab 1990 bei großen Sportereignissen fotografiert – auch davon sind, vielleicht etwas zu sehr gedrängt, einige Beispiele im Kollwitz Museum zu sehen. Ab Herbst 1991 fotografiert sie zudem in Krisenregionen, zunächst in Jugoslawien. Die Auseinandersetzungen im Balkan bilden für ein Jahrzehnt den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. Später arbeitet sie im Irak, in Israel, Pakistan, Libyen und – immer wieder – in Afghanistan. Anja Niedringhaus bleibt auch dann noch an den Schauplätzen, wenn die Zivilbevölkerung geflohen ist. Sie begleitet die Militärmissionen, fotografiert die Soldaten beim Vorrücken und in den Pausen zwischen den Gefechten.

„Nie erscheint sie mit ihrem Blick in den Bildern als Fremdkörper“, hat Jean-Christophe Ammann 2011 geschrieben. „Der Blick ist zupackend, auch dann, wenn er von Demut, Befangenheit oder Zärtlichkeit geprägt ist.“ Sie fotografiert die Schwerverletzten aus nächster Nähe. Das Schreckliche des Krieges und wie sehr er den Alltag prägt, wird am Einzelschicksal greifbar – das gilt auch für die Bevölkerung: Niedringhaus fotografiert die Familien auf der Flucht; die Kinder mit ihren Spielzeugwaffen auf dem Kettenkarussell; die verschleierten Frauen auf Plätzen und in Häusern. Dazu erstellt sie Sequenzen mit mehreren Fotografien, die die Mimik oder die Wendung der Personen zueinander dokumentieren und die kleinen Geschichten mit ihrer Emotionalität festhalten. Auch wenn es im Journalismus um Schnelligkeit geht und der Beschnitt des Formates oft unvermeidlich ist, bleibt Anja Niedringhaus aufmerksam für die Details.

In NRW wurden ihre Fotografien zuletzt 2012 in der „Situation Kunst (für Max Imdahl)“ in Bochum-Weitmar umfassend ausgestellt. Dort hat sie im Gespräch berichtet, wie wichtig ihr der Aufbau des Bildes sei, dass es bei den Sportereignissen mit der richtigen Sekunde zu tun habe und in den Krisengebieten damit, wie weit sie sich etwa in beschossenes Gelände vorwagen könne. Ihr Anspruch war immer mehr als spektakuläre Ereignisse festzuhalten: Sie wollte aufrütteln, aber auch auf die Besonderheiten des Landes und die Schönheit seiner Menschen aufmerksam machen – und dafür adäquate Bilder finden.

Anja Niedringhaus – Bilderkriegerin | bis 30.6. | Käthe Kollwitz Museum | 0221 227 28 99

Thomas Hirsch

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