Jasmila Zbanic hat bereits 2006 mit ihrem Debütfilm „Esmas Geheimnis“ ihr großes Talent bewiesen. In ihrem fünften Langfilm „Quo vadis, Aida?“ (Rex am Ring) widmet sie sich den Kriegsverbrechen von General Mladic in der Spätphase des Bosnienkriegs 1995. Ihre Protagonistin Aida (stark: Jasna Djuricic) arbeitet als Dolmetscherin für die UN-Soldaten im Lager, das nur einen Bruchteil der Flüchtenden bei der Erstürmung Srebrenicas aufnehmen kann. Zbanic bricht die Ereignisse überwiegend auf eine sehr persönliche Ebene herunter, wodurch es ihrem Publikum leichtfällt, sich mit dem Schicksal Aidas und ihrer Familie zu identifizieren. Ein wichtiger und formal herausragender Film, der fast schon eine dokumentarische Authentizität entwickelt und fesselnd zu unterhalten weiß.
1931 schrieb Erich Kästner seinen autobiografisch gefärbten Roman „Fabian – oder: Der Gang vor die Hunde“ (Cinenova, Odeon, Weisshaus) über Zeiten eines dramatischen Umbruchs und warf seinen Protagonisten, den Moralisten Jakob Fabian, in die deutsche Hauptstadt, in der Hitler gerade die Macht ergreift und die Unmoral wächst und gedeiht. 1980 erfolgte eine erste Film-Adaption durch Wolf Gremm, nun legt Dominik Graf („Die geliebten Schwestern“) seine Interpretation des Stoffes vor. Tom Schilling in der Titelrolle, Albrecht Schuch als sein wohlhabender Kompagnon Labude, Saskia Rosendahl in der Rolle seiner hoffnungsvollen Liebe Cornelia – das dreistündige Hauptstadtepos ist famos besetzt. Und es passt in die Zeit. Eine Zeit, die sich narrativ offensiv dem Berlin der 1920er Jahre öffnet. Eine Zeit, die mit dem Rückblick mahnend nach vorn schaut.
Als 1958 das Newport Jazzfestival zum 5. Mal stattfand, machte Bert Stern seinen einzigen Dokumentarfilm „Jazz an einem Sommerabend“ (OmU in der Filmpalette). Nun kommt die digitalisierte 4K-Version in die Kinos. Bekannt ist Stern durch seine Fotos, vor allem „The last Sitting“ mit Marylin Monroe. Sein Film bleibt nicht bei den Auftritten dieses (mit Louis Armstrong, Anita O'Day, Thelonius Monk, Dinah Washington u.v.m.) starbesetzten Jahrgangs, die Kamera schweift derweil über die auf Holz-Klappstühlen lauschenden und genießenden Fans, durch die Stadt, über das glitzernde Meer und die Segelboote, denn zeitgleich fand.der America's Cup statt. Dabei entsteht eine impressionistische Leichtigkeit und Freude und ein solcher musikalischer Fluss, dass Sterns Werk zu Recht als einer der besten Konzertfilme aller Zeiten gerühmt wird.
Außerdem neu in den Kinos: Martin Provosts Feminismus-Komödie „Die perfekte Ehefrau“ (Odeon), Robin Wrights Regiedebüt „Abseits des Lebens“ (Cineplex), Ed Herzogs neuer Bayern-Krimi „Kaiserschmarrndrama“ (Cinedom, Cinenova, Cineplex, Residenz, Rex am Ring, UCI) und James Gunns Action-Comic-Spektakel „The Suicide Squad“ (Cinedom, Cineplex, Rex am Ring, UCI).
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