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„Ich sehe was, was du nicht siehst“
Foto: Dominik Breuer

Theater-TV

31. Oktober 2013

„Ich sehe was, was du nicht siehst“ – Theater am Rhein 11/13

Auf der Suche nach Frischfleisch postieren sie sich vor Arbeitsämtern oder Mutter-Kind-Heimen. Die Macher von Reality-Doku-Soaps wissen genau, wo sie ihr Material finden. Schwangere Teenies und übergewichtige Hartz IV-Empfänger sind Quotengaranten. Blaue Schminke und ein Skript helfen der Realität ein wenig nach, machen das Elend noch elender und Menschen zu Zirkusaffen.

Regisseur Dominik Breuer gibt einen dieser modernen Dompteure. Er hält Schilder hoch: „Lachen! Buh! Applaus!“ Neben ihm liegt sein neuestes Ausstellungsstück. Im schwarzen Ganzkörpersuite (inklusive Gesicht) kriecht Tänzerin Morgane de Toeuf am Boden, räkelt sich spinnenartig von einer sonderbaren Position in die nächste. Als gesichtsloses Wesen ist sie Projektionsfläche für alles, was wir sehen wollen. Große Plastikaugen in ihren Händen, mal auf die Schultern und mal auf den Hintern geklebt, durchforsten den Raum. Weitere an die Wand tapezierte Schilder diktieren „Gefühl“, „Real“ oder „Cool“. Der zweite Protagonist ist ein Spot-Light. Begleitet von Applausgekreische aus dem Off verkörpert es die voyeuristische Masse. Großartig verausgabt sich de Toeuf in seinem Licht an der Darstellung von Gewalt oder Liebe. Für seine Zuneigung wird sie sogar Haut zeigen, außer ihr Gesicht: Das bleibt austauschbar.

Die Performance „Ich sehe was, was du nicht siehst“ beginnt schon vor der Bühnenshow. Für Recherchen zum Thema scripted reality haben sich die Darsteller als Praktikanten in Produktionsfirmen eingeschleust. Schlau abstrahiert Breuer die gesammelten Fakten. Wieder und wieder erzählt de Toeuf eine Geschichte über ihr Plüschtierschwein. Zwar wird sie immer künstlicher dabei, doch das lauter werdende Off-Gejubel gibt ihr Recht. Aufgesetzt überdrehte Emotionalität löst die Realität ab und löscht alle Zwischentöne aus. Wenn sie später ausrangiert in der Ecke liegt, hören wir die Geschichte noch einmal vom Band. Zurechtgeschnitten klingt sie plötzlich ganz anders: Der Vater ist das Schwein, der Rest bleibt uns überbelassen. Echt oder nicht? Dem Brachland Ensemble ist eine hintergründige Studie zur Wirklichkeitswahrnehmung und ihrer Manipulierbarkeit gelungen. Vor Bombengeräuschen und orientalischer Musik tanzt de Toeuf auch mal ein Kriegsszenario. Sind scripted news die nächste Stufe?

„Ich sehe was, was du nicht siehst“ | R: Dominik Breuer | keine weiteren Termine

ROMY WEIMANN

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