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„Der Volkshai"
Foto: Thilo Beu

Nett, komisch und banal

29. Januar 2015

Nolte Decars „Der Volkshai" am Theater Bonn – Theater am Rhein 02/15

Wir schreiben das Jahr 1990. Über Rimini ist eine Blondierungswelle hereingebrochen. Der Bürgermeister, der Kioskbesitzer, die Bademeisterin und der zugereiste Journalist, alle blond. Der Tourismus boomt, die Beerdigung des kleinen Drecksacks Pistoletto stört da kaum. Schiffschraube, trostlose Sache. Der mafiös-schmierige Bürgermeister (Sören Wunderlich) hält eine bewegend-entlarvende Trauerrede und erpresst danach den Journalisten Cesare (Hajo Tuchy), der im kommunalen Schlamm herumstochert. Doch die Katastrophe trägt an diesem Abend den Namen Giulia. Die resolute Bademeisterin (Anne Kulbatzki) hockt auf ihrem Hochstuhl und inspiziert mit koketter Hysterie das Meer und gibt plötzlich Hai-Alarm – mitten in der Badesaison.

Klar, wo sich das Autorenduo Nolte Decar für sein Stück „Der Volkshai" bedient hat: Bei Spielbergs „Der weiße Hai". Der angedeutete Bezug auf Ibsens „Ein Volksfeind" bleibt Behauptung, schon der Film bezieht sich auf das norwegische Vorbild. Die Bonner Szenen nutzen den Filmplot, basteln sich daraus ein paar Momente zwischen Banalität, Kalauer und Albernheit. Alles vorhersehbar und dramaturgisch schwachbrüstig, der Unterhaltungswert schlägt den Erkenntniswert. Martin Rippert, Regieabsolvent des Wiener Max-Reinhardt-Seminars, macht daraus, was man aus Nolte Decar-Stücken so macht: Er rührt vor einer Bühnenwand aus Dusche, Kioskdurchreiche und Strandkabine die Komik farcenhaft auf, mischt Groteske unter und streut Slapstick darüber. Sehr witzig vor allem die Debatten zwischen Giulia und dem antikisiert kostümierten Dino (Robert Höller), sowohl die über konsumistische Strategien am Strand wie über die Rollen in ihrer privaten Beziehung. Ansonsten alles erwartbar im Gegeneinander von Arbeitsplatzerhalt und Katastrophenwahrheit. Nur das Ende überrascht, wenn Giulia mit blutigen Armen um die Ecke kommt und „Alles ist erfüllt – Ciao Jungs" ruft. Hat sich da die Vorkämpferin für Wahrheit und Gerechtigkeit als feministische Schlächterin entpuppt? War der Hai-Alarm nur Splatter-Strategie im Geschlechterkampf? Wir wissen es nicht, es ist aber auch nicht wichtig.

„Der Volkshai" | R: Matthias Rippert | Theater Bonn | 10.2., 11.2., 22.2., 26.2. 20 Uhr | 0228 32 78 17

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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