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„Das Volk will singen“
Foto: Meyer Originals

Liederliche Authentizität

30. April 2015

„Das Volk will singen“ im Theater der Keller – Theater am Rhein 05/15

Partizipation ist „in“, auch im Theater. Im Theater der Keller versucht sich Schauspieler Thomas Wenzel am Absingen von Volksliedern, strandet aber schon bei der ersten Strophe – und beklagt den Verlust an Heimatgefühl. Doch das Publikum nimmt den Ball auf und trällert fröhlich weiter. Von Verlust also keine Spur. „Das Volk will singen“ und tut es auch, bis Wenzel dem irgendwann etwas pikiert ein Ende macht. Partizipation kann nerven, vor allem wenn sie einem die Pointe versaut.

Den „Heimatabend“ des Rose Theegarten Ensembles in der Regie von Guido Rademachers könnte man als Konzepttheater beschreiben. Wenzel und Claudia Holzapfel schwadronieren zunächst viel über die Authentizität des Singens und schlagen vor, Volkslieder doch zuhause zu singen. Deshalb habe man sich auch entschlossen, das Wenzelsche Wohnzimmer auf der Bühne (Bühne: Regina Rösing) „eins zu eins“ nachzubauen – samt Küchentisch, Sofa, Wolldecken etc. Mit anderen Worten: Das kunstvoll in der Romantik er- und gefundene Volkslied ist genauso authentisch und unmittelbar wie das Theater selbst: nämlich gar nicht. Welche Rolle dabei die Heimat spielt, bleibt unerforscht, aber sie dürfte, man ahnt es, nicht allzu groß sein. Trotzdem wird ausgiebig gesungen von „Am Brunnen vor dem Tore“ bis „Lieber Augustin“, meist zart, intim und verhalten, selten verloren oder aus vollem Hals. Als weiterer Unauthentischer erscheint Richard Bargel, der sich als gebürtiger Deutscher dem Blues verschrieben hat, allmählich das Bühnenbild zerlegt und ein paar Nummern anstimmt. In der Rolle der Produktionsassistentin muss Stefanie Winner immer wieder eingreifen, um überhaupt den Fortgang sicherzustellen. Irgendwann allerdings stellt man sich schon die Frage, warum nur das romantische Volkslied erklingt. Da es sich um ein Kunstlied handelt, hätten durchaus auch Schlager oder Popsongs erklingen können. Und die Abgründigkeit oder komische Traurigkeit, die man aus Abenden eines Clemens Sienknecht oder Christoph Marthaler kennt, sucht man auch vergebens. So bleibt es bei aller Überhöhung ein kluger, aber ziemlich braver Heimatabend.

„Das Volk will singen“ | R: Guido Rademachers | Theater der Keller | Sa 2.5., Mi 6.5., Mi 13.5., Fr 22.5. 20 Uhr | 0221 27 22 09 90

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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