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Guckt auch gerne Filme ohne Nummerierung: Simone Schlosser
Foto: Jan Schliecker

Kino als Nummernrevue

29. November 2018

Wie die Serie das Kino beeinflusst – Vorspann 12/18

Eigentlich war es ein gutes Jahr für das italienische Kino. Paolo Sorrentino hat mit „Loro“ die Ära von Silvio Berlusconi bildgewaltig aufgearbeitet. Und Alice Rohrwacher („Glücklich wie Lazzaro“) und Matteo Garrone („Dogman“) durften in Cannes jeweils eine Palme mitnehmen. Ein Weihnachtsbaum wäre ihnen möglicherweise lieber gewesen. Der kommt nun allerdings von Netflix. Letztes Jahr hat die Stadt Rom viel Spott geerntet für ihren Weihnachtsbaum. Dieses Jahr setzt sie wie viele andere Großstädte auf einen Sponsor. Knapp 400.000 Euro will der Streaminganbieter angeblich ausgeben. Dafür soll es Christbaumkugeln mit Serienstars geben. Eine separate Selfie-Ecke inklusive. Besseres Marketing gibt es nicht.

Dabei hätte es Netflix gar nicht nötig. Serien sind mittlerweile so präsent, dass selbst die großen Filmstudios mitmachen. Schaut man sich einmal die Top 10 der erfolgreichsten Filme des Jahres an, dann muss es nicht mehr heißen, Serien sind die neuen Kinofilme, sondern Kinofilme sind die neuen Serien. Lediglich einer von zehn Filmen („Die kleine Hexe“) erzählt eine eigenständige Geschichte. Die anderen neun sind entweder Fortsetzungen („Mamma Mia“, „Jurassic World“) oder Teil einer bereits etablierten Reihe („Avengers“, „Black Panther“) oder wie im Fall von „Deadpool“ beides auf einmal. Einteiler scheinen im Kino nicht mehr zu funktionieren. Und schon gar nicht wenn sie nur neunzig Minuten lang sind. Die Durchschnittslänge der Top-10-Filme liegt bei 118 Minuten.

Woher kommt dieser Trend zu immer längeren Filmen? Zu immer weiter verästelten Erzähluniversen à la Marvel, wo es zu den Kinofilmen auch noch Serien gibt? Ein Grund sind wohl eben diese Serien. Warum noch ins Kino gehen, wenn zuhause Amazon und Netflix warten? In Deutschland ist die Zahl der Kinobesucher seit Jahren konstant. Auf dem wichtigen Kinomarkt USA sinkt sie allerdings kontinuierlich. Gleichzeitig steigt die Verbreitung von Streaminganbietern mit Eigenproduktionen. Wer sich dagegen behaupten möchte, muss dem Publikum schon etwas bieten. Aber eben auch nicht zu viel. Die Hemmschwelle, ins Kino zu gehen, sollte möglichst niedrig sein. Es bietet sich an, auf bereits bekannte Figuren zurückzugreifen. „Avengers“, „Star Wars“, aber eben auch „Fack Ju Göthe“ funktionieren nach diesem Prinzip: serielles Erzählen. Wobei die klassischen Fortsetzungen mehr oder weniger out sind. Angesagt sind Erzähluniversen, die über verschiedene Medien hinweg funktionieren. So kann man im Kino dort weitermachen, wo man zuhause auf der Couch aufgehört hat. Und wenn man dann schon mal dort ist, möchte man auch was haben für sein Geld. Wer es von zuhause gewohnt ist, die Nächte durchzubringen, gibt sich im Kino eben nicht mit neunzig Minuten zufrieden. Aber auch dieses Jahr bedeutet weder das Ende des Films noch des Kinos. Denn auch die größten Serienfans wissen, dass das Kino der einzige Ort ist, an dem man noch ungestört einen Film schauen kann. Es wäre allerdings schön, wenn sie beim nächsten Mal auch in einen Film gehen würden, der keine Nummerierung im Titel trägt.

Simone Schlosser

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