Mit „Irmina“ hat Barbara Yelin ihr vorläufiges Magnus Opus veröffentlicht: Vage auf der Geschichte ihrer Großmutter basierend, erzählt sie auf knapp 300 Seiten und in Farbe von einer Frau, die 1934 als junges, selbstbewusstes Mädchen nach London geht, um eine Ausbildung zu machen. Dort lernt sie den schwarzen Studenten Howard kennen und lieben. Doch die Umstände reißen sie auseinander: Irmina geht zurück nach Deutschland und erlebt den Aufstieg der Nazis und den Krieg. Das ändert sie. Die historisch gut recherchierte Geschichte überzeugt auf allen Ebenen: Die Hauptfigur und ihr charakterlicher Wandel ist so betrüblich wie plausibel, die aufwändigen Bilder ziehen einen förmlich in die Geschichte hinein (Reprodukt). Katharina Greve hat ihre ganz eigene Interpretation der Ligne Claire, und die verträgt sich prima mit ihren absurden Geschichten. Denn dort – in „Ein Mann geht an die Decke“, „Patchwork“ und jetzt „Hotel Hades“ – gehen die Grundpfeiler ihrer Geschichten – Raum, Zeit, Mensch – schon genug durcheinander. Da schadet ein klarer Strich nicht. Wer das Jenseits als graues Wischiwaschi imaginiert, wird bei Greves „Hotel Hades“ mit dem Gegenteil konfrontiert: Peter merkt nach seinem Tod schnell, dass der Hades eine bürokratische Hölle voller Absurditäten ist – ganz zu seinem Leidwesen, aber zur Freude des Lesers (Egmont).
Luke Pearson, bislang in Deutschland nur durch seine poetischen Kindercomics der „Hilde“-Reihe bekannt, erzählt mit „Was man nicht sieht“ vom tragischen Ende einer Beziehung. Das geschieht ähnlich Fabel-haft wie bei Hilde, nur dass die Tragik des Versäumten und Übersehenen hier überwiegt. In melancholischen Bildern voller Symbolkraft lässt Pearson seiner Fantasie freien Lauf und ist doch ganz nah an der Wirklichkeit – zumindest der Wirklichkeit der Gefühle (Reprodukt). Literaturadaptionen sind zurzeit en Vogue: Vom Klassiker bis zur Gegenwartsliteratur werden aus Romanen Graphic Novels. Tim Dinter hat sich nun Sven Regeners „Herr Lehmann“ angenommen. Was hätte überflüssig sein können, entfaltet mit der Zeit einen doch faszinierenden Sog. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Dinter die Stimmung des Berlin zur Zeit der Wende und die Ziellosigkeit des Kneipenalltags mit seinen grauen Zeichnungen sehr gut einfängt (Eichborn). Mari Yamazaki erzählt mit „PIL“ ein in den frühen 80er Jahren angesiedeltes Coming-of-Age-Drama: Nanami ist großer Fan des Post Punks von Public Image Ltd. Die ästhetischen Freiheiten von John Lydons Band stehen im Kontrast zu den Restriktionen, die Nanami in der Schule erfahren muss. Ihr verschwenderischer Großvater, mit dem sie zusammenwohnt, macht ihr das Leben zusätzlich schwer und bedroht das für die geplante Englandreise angesparte Geld. Der Manga setzt sich mit seinem Realismus von vielen Werken des Genres ab, trotzdem mag sich existentielle Tiefe nur bedingt einstellen (Carlsen).
Dass Hergé zu Beginn seiner Karriere nicht gerade politisch korrekt war, ist allgemein bekannt. Paradebeispiel ist der Band „Tim im Kongo“, der vor kolonialistischer Arroganz nur so strotzt. Der südafrikanische Zeichner Anton Kannemeyer nimmt den Band als Vorlage für viele seiner Cartoons und Kurzgeschichten, die die Apartheid und den Rassismus im Land thematisieren. Drastisch, sarkastisch und makaber sind seine Geschichten und Cartoons. Letztere entstehen oft als großformatige Gemälde und hängen in Museen. Der Band „Papa in Afrika“ versammelt Arbeiten aus den letzten sieben Jahren (Avant Verlag).
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