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Gundermann

Gundermann
Deutschland 2018, Laufzeit: 127 Min., FSK 0
Regie: Andreas Dresen
Darsteller: Alexander Scheer, Anna Unterberger, Axel Prahl
>> www.gundermann-derfilm.de

Großartiges Biopic

Ich hatte meine Gründe, wa?
„Gundermann“ von Andreas Dresen

Interview mit Hauptdarsteller Alexander Schee

Am 21. Juni näherte sich der zwanzigste Todestag von Gerhard Gundermann. Künstler, Liedermacher, Baggerfahrer aus Hoyerswerda. Parteikritiker und: Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi. Andreas Dresen setzt dem Mann ein Denkmal. Und seiner Zeit. Seit über zehn Jahren bereits verfolgt der Regisseur mit seiner Stammautorin Laila Stieler dieses Projekt, Hauptdarsteller Alexander Scheer ist seit langer Zeit für die Rolle favorisiert. Dresen ist ein Bravourstück gelungen.

Über zwei Zeitebenen blickt sein Drama zurück auf das Leben des streitbaren Kerls, das um Schichtarbeit, politisches Engagement, Musik und die Liebe zu seiner Conny kreist. Mitte der Siebziger Jahre arbeitet Gundermann auf seinem Bagger im Lausitzer Kohlerevier und singt aus dem Leben. Das Notizheft am Mann, engagiert er sich für Mitsprache, Arbeitssicherheit und Kommunismus, sieht die Idee durch die Parteiführung allerdings zweifelhaft umgesetzt. Er redet frei Schnauze, bis man ihn „wegen unerwünschter eigener Meinung“ der Partei verweist. Zugleich arbeitet er von 1976 bis 1984 unter dem Decknamen „Grigori“ als Inoffizieller Mitarbeiter und bespitzelt Fremde und Freunde für die Staatssicherheit. Nach dem Mauerfall betritt Gundermann erfolgreich musikalische Solopfade und wird schließlich von seiner Vergangenheit eingeholt. Zermürbt versucht der Mann, mit seiner Täterakte zu leben. Indem er Verdrängtes kleinredet. Und indem er irgendwann Stellung bezieht.

Täter und eherner Kämpfer: Man könnte eine plumpe Jekyll & Hyde-Geschichte daraus stricken, aber Dresen macht es sich und uns bewusst nicht allzu leicht. Zuerst einmal, indem er nicht alles erklärt. Indem er eben nicht bloß von einer Kunstfigur im akkurat sezierten Zwiespalt erzählt. Dresen erzählt komplexer. Von einem Typ, von einem Volk, von einem Land. Von einem Mann, der an den Kommunismus glaubt und etwas bewegen will. Ein Mann, der das Herz am rechten Fleck trägt und zugleich acht Jahre lang andere denunziert. Wir erfahren, wie Gundermann von der Staatssicherheit geködert wird. Dresen verzichtet auf Bilder, die davon erzählen, wie Gundermann Menschen aus seinem Umfeld bespitzelt und denunziert. Der Film liefert nicht alle Antworten, und das ist eine seiner Stärken. Dresen erzählt von Gundermann. Von seinem Glauben an die politische Idee, an das System und an die Mitsprache. An die Utopie. Gundermann selbst wird seine Vergangenheit als IM später großzügig verdrängen. Als er in den 90ern schließlich seine Täterakte in den Händen hält, geben sich Trotz und Reue ein fragiles Stelldichein, das am Ende in einem reflektierten Statement über das Wesen des Entschuldigens endet.

Dresen beweist sich wieder einmal als großartiger Erzähler, der klug, virtuos und ergreifend vom Leben der anderen erzählt, ohne dabei nach Hollywood zu schielen. Stattdessen füllt er sein Drama schlichtweg mit nacktem Leben. Wie sein musizierender Held sinniert der Filmemacher ehrlich und erfüllt von Seele. Das Drama wird dabei von den Liedern Gundermanns illustriert. Sechszehn Songs hat Alexander Scheer neu eingesungen, und das macht er so gut, dass sie auf CD gepresst werden. Scheer überzeugt auf ganzer Linie. Als Sänger, als Poet, als Gutmensch und Denunziant, als Rebell und Feigling, launisch, wütend, still, verliebt, verzweifelt, als Mensch, Kämpfer und Narr. Und ja, Dresen inszeniert trotz des Gewichts ohne Schwermut und mitunter gar augenzwinkernd: Wenn Gundermann so unbedarft wie trefflich die Parteioberen zur Rede stellt; wenn er sie mit Marx-Zitaten entlarvt oder die Wählerbindung hinterfragt: „Naja, über den Betten der meisten Jugendlichen hängt nun mal öfter ein Bild von Che Guevara und seltener eins von Genosse Honecker!“ Und wenn die unbelehrbaren Parteipolitiker ihm am Ende unterstellen, Leute wie er würden den Sozialismus kaputtmachen – dann schreibt das Leben selbst die besten Pointen. Mehr braucht Dresen nicht zum Schmunzeln, so wie überhaupt nichts bemüht wirkt in seinem Film.

(Hartmut Ernst)

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