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Falsche Fluchtrichtungen

26. Februar 2015

In diesen Büchern finden sich keine Paradiese – Wortwahl 03/15

Bei uns wollen wir sie nicht haben, aber selber nehmen wir uns das Recht raus, überall auf der Welt unser Glück zu finden. Als ob wir Nordhalblinge den verarmten Süden unseres Planeten bereichern würden, während dieses Flüchtlingsgesocks nichts anderes wäre als marodierende Diebesbanden. Dabei: Wer importiert denn die Spielregeln und exportiert das leicht eroberte Hab und Gut flugs in die sicheren Festen seiner Hemisphäre – um dann schnell die Tür zuzuschlagen?! Da dieses Prinzip für den Normalbürger aber nicht mal soeben von Wirtschaftsmagnaten und Entwicklungshilfeministern kopierbar ist, dümpelt er immer noch in seinem American Dream:

Klaus Barski Sweet Florida Keys [Solibro]: Gut Peter Reynolds, Sohn eines US-Soldaten und einer Bremerin, könnte auf seine persönliche Geschichte pochen. Im Grunde jagt er jedoch auch nur von privatwirtschaftlichem Erfolg zu Misserfolg, um irgendwann möglichst weit oben anzukommen. Was einen trotzdem für ihn einnimmt? Sein offener Erzählstil, schonungslos auch gegenüber sich selbst, als stünde man mit „Groschen-Peter“ persönlich am Tresen. / Volker Surmann Extremely Cold Water [Voland & Quist]: Weit weniger Sympathy will sich hingegen für Eugen Thomas einstellen. Tja, dieses „irgendwas mit Medien machen“ kann schon mal zu ’ner Kurzschlussreaktion führen. Entgegen gängiger Spielregeln lässt der Held alles stehen und liegen, um auf einem Roadtrip durch anderer Leuts Probleme seine Befreiung zu finden. Irgendwie traurig, aber – wie gesagt – Mitleidsboni gibt‘s da keine.

Erst recht nicht, nachdem man einen Blick auf die andere Seite des Rio Grande riskiert hat. Orfa Alarcón Königin und Koyoten [Wagenbach]: Wer in Mexiko der Armut entfliehen will, muss sich auf das Spiel der Narcos einlassen. Ein explosives Gemisch aus Gewalt und Reichtum, das in seiner abgef***ten Coolness beinahe sexy wirkt – bis man sich wie Fernanda in fataler Selbstauflösung drin verstrickt hat. Kompromisslos und unbarmherzig, als würde Santa Muerta persönlich rappen. / Richard Lange Angel Baby [Heyne]: Weit unschuldiger kommt da Luz rüber – auch wenn die Narco-Prinzessin erstmal die Hausdiener erschießen muss, um ihrem‚Prinzen‘ entfliehen und in den USA endlich wieder ihre Tochter in die Arme schließen zu können. Neoromantische Hard-Boiled-Action, deren schwarzer Schatten auf immer und ewig über den Protagonisten liegen wird.

Und wie tickt er tatsächlich, der Social Beat im Gelobten Land, der scheinbar immer noch das Gros der Welt in seinen Bann zieht? Charles Bukowski Hot Water Music [Kiepenheuer & Witsch]: Soziale Wärme hat der Altmeister des Genres jedenfalls nie versprüht. Warum sollte das in diesem weiteren Story-Band aus seinem Nachlass anders sein?! Zu feiern gibt es maximal Zwischenhochs. Doch Goldadern versiegen schneller, als man schöpfen kann. Vielleicht sollten die Amis Hank endlich zur Pflichtlektüre für alle Immis und Flüchtlinge machen. / Megan Mayhew Bergman Wuchernde Paradiese [MetroLit]: Aus weiblicher Perspektive, auf andere Weise‚biestig‘ bringen diese pechschwarzen Kleintierzooerzählungen die sozio-emotionale Schieflage unserer Gesellschaft auf den Punkt. Mit diabolischem Grinsen zwischen Schwangerschaft und Gnadenschuss: Ist der Mensch des Menschen Bestie, bleibt ihm die Freundschaft nur zum Tier.

LARS ALBAT

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