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Martin Kayser-Landwehr zu Gast bei Filmplus 2014

Fachliche Hilfestellung

27. Oktober 2014

„Der Filmemacher als Material und Montagepartner“ im Off-Broadway – Foyer 10/14

Montag, 27. Oktober: Seit bereits sechzehn Jahren wird der Schnitt-Preis verliehen, um die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf das wohl filmischste Handwerk bei der Herstellung von Spiel- und Dokumentarfilmen zu lenken. Vor fünfzehn Jahren haben die Veranstalter dazu das „Forum für Filmschnitt und Montagekunst“ aus der Taufe gehoben, das dem gesamten Beruf des Editors mehr Aufmerksamkeit verleiht und auch in diesem Jahr an vier Tagen in Köln vielfältige Diskussionen zum Filmschnitt ermöglichte. Beim Themenpanel „Der Filmemacher als Material und Montagepartner“ unterhielt sich die künstlerische Leiterin des Festivals, Kyra Scheurer, im Off-Broadway-Kino mit Editor Martin Kayser-Landwehr über dessen Arbeit. Der hatte innerhalb weniger Monate zwei Dokumentarfilme geschnitten, bei denen die Regisseure jeweils selbst vor der Kamera in Erscheinung traten und auf diese Weise als Protagonisten Gegenstand im eigenen Filmmaterial waren. Sowohl „David Wants to Fly“ von David Sieveking als auch „Postcard to Daddy“ von Michael Stock sind stark autobiografisch geprägte Werke, die den Editor vor ungewohnte Aufgaben stellten.

Sprach im Off-Broadway über seine Arbeit: Martin Kayser-Landwehr

Kayser-Landwehr war in den konkreten Fällen auf gänzlich unterschiedliche Weise zum Projekt hinzugestoßen. Bei „Postcard to Daddy“ war es aus der Not heraus geboren, da ein erster Schnitt des Regisseurs selbst auch dessen Erwartungen nicht erfüllte und das wichtige Thema über den sexuellen Missbrauch durch den eigenen Vater schlichtweg eine Plattform bekommen musste. Bei „David Wants to Fly“ kam es zu einer typisch beruflichen Zusammenarbeit, bei der sich Kayser-Landwehr allerdings weitgehend als Außenseiter fühlte, da Regisseur David Sieveking die meisten anderen Crewmitglieder vom eigenen Studium an der Filmhochschule her kannte. Zu Sieveking selbst und seiner Darstellung im Film merkte Martin Kayser-Landwehr beim Gespräch an: „Das ist eins zu eins David Sieveking, den man im Film sieht, keine Konstruktion einer eigenen Filmfigur! Er hatte sich von Anfang an selbst im Film in Szene gesetzt und kam fast im kompletten Material vor.“ Dennoch ist er nach Meinung des Editors generell kein Selbstinszenierer, sondern ein eher stiller Typ, der nur aufgrund der Geschichte selbst eine solch zentrale Rolle einnahm. Geholfen habe auch, dass der Kameramann Adrian Stähli ein guter Freund Sievekings ist, der auch in sehr privaten Momenten mit Sieveking und dessen Freundin Marie Pohl einfach die Kamera draufhielt und die beiden beobachtete.

Kyra Scheurer beim Werkstattgespräch mit Martin Kayser-Landwehr

Es gibt für Kayser-Landwehr hier einen zentralen Unterschied zu Filmen, in denen der Regisseur nicht selbst in Erscheinung tritt: „Ein Filmemacher als Protagonist hat den Nachteil, dass er stark ins Thema involviert ist und deswegen mitunter den Überblick verliert.“ Insbesondere darüber, was als Schnittmaterial vorliegt und was nicht. Das bei „David Wants to Fly“ vorkommende, vom Regisseur gesprochene Voice Over entstand erst nach dem finalen Schnitt. Zunächst bestand es aus einem noch erschlagenderen Text, wurde dann aber mit Hilfe des Coachs Martin Witz in viel Arbeit ausgedünnt und neu gebaut. Kayser-Landwehr hatte allerdings keine Möglichkeit, den Bildschnitt im Nachhinein an diesen Erzähltext wieder anzupassen. Dennoch unterstreicht der Editor: „Es gab keinen idealeren Partner im Schnitt als David.“ Bei „Postcard to Daddy“ saß der Regisseur beim Schnitt hingegen gar nicht mehr neben seinem Editor. Michael Stock hatte eine Version seines Films geschnitten, die durchweg mit zwei- bis dreisekündigen Überblenden arbeitete. Kayser-Landwehr musste hier „fachliche Hilfestellung leisten, um den Film so hinzubekommen, dass man ihn sehen konnte.“ Erschwert wurde dieser komplette Neuschnitt allerdings durch die Tatsache, dass das gesamte Material lediglich offline vorlag und überhaupt nicht katalogisiert war. Umso erstaunlicher, was Martin Kayser-Landwehr aus diesem Chaos am Ende gezaubert hat...

Text/Fotos: Frank Brenner

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