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Die Drums stolpern rhythmussicher von einem Glitch in den nächsten: Low Leaf
Foto: Presse

Die Beat-Wissenschaftler

19. Dezember 2013

Melting Pot Music erforschen den Nischen-HipHop – Popkultur in NRW 01/14

Die Nische wohnt im Erdgeschoss. Zumindest bei Melting Pot Music ist das so. Mitten in Ehrenfeld hat das Label von Oliver von Felbert das, was andere Leute als „Geschäftssitz“ bezeichnen: ein Zimmer mit Vinylverkauf vorne, einen Büroraum + Lager hinten, dazwischen ein paar Schreibtische. Was man von außen nicht sieht: Hier residiert Kölns feinstes HipHop-Label. Vor gut zehn Jahren wagte von Felbert nach einer Zeit als Musikjournalist und A&R bei einem Kölner Vertrieb den Sprung in die Selbständigkeit – zu einer Zeit, in der sich die Krise der Musikindustrie langsam abzeichnete. „Es gab damals Producer, bei denen wir gedacht haben, das ist so gut, das muss man rausbringen“, erzählt von Felbert. Denn damals wie heute lag der Fokus auf HipHop als Beat Science, als Wissenschaft der geraden und ungeraden Schläge aus der ganzen Welt.

Und die Wissenschaft praktiziert das Label bis heute – und zwar in seiner ganzen Bandbreite. Die Kölner Fleur Earth Experiment produzieren soulige Beats, die weit von einer loungigen Gemütlichkeit entfernt sind und durch die idiosynkratische Stimme von Sängerin Fleur an Roughness und Tiefe gewinnen. Im Sound der Fillippina Low leaf legen sich Harfensprengsel und Synthmotive über entspannte HipHop-Beats, bei denen die Drums rhythmussicher von einem Glitch in den nächsten holpern, während sie ihre Texte wahlweise als Diva, Rapperin oder entrückter Hippie ins Mikrofon haucht. Der Wahl-Berliner Suff Daddy türmt dagegen seine Cratedigging-Funde zu meterhohen Beat-Sample-Wolkenkratzern auf, denen trotz der handverlesenen Zutaten niemals die Derbheit verloren geht oder sich in dulldreister Geschmackssicherheit verliert. Und das Kölner Produzenten-Duo Hade + DWFL kondensiert die international zirkulierenden Bassmusik-Memes zwischen Trap, Ghettofunk und Footwork zu Tanzflur-Füllern zeitgenössischer Bauart.

“Es wäre wirklich schwer, einen Labelsound zu beschreiben“, meint Oliver von Felbert. „Es ist halt Melting Pot Music.“ Was nicht bedeutet, dass die Releases keine Signatur haben. Abseits der durchgängig hohen musikalischen Qualität bestechen sie durch ein liebevoll designtes Artwork, das den Releases nicht nur eine haptische Qualität, sondern auch ein wenig Unverwechselbarkeit verleiht. Denn die Funktion von Labels hat sich während der knapp zehnjährigen Existenz von Melting Pot Music gewandelt. Früher waren Labels nötig, um überhaupt seine Musik unter die Leute zu bringen, heute hat ein Label eher eine gemeinschaftsstiftende Funktion, eine Art Familie, die sich nicht nur um Tonträger kümmert, sondern auch um das Konzert- und DJ-Booking. „Für mich ist ein Label auch eine Art Filter, mit der ich klar mache, dass ich an einen Künstler glaube“, meint von Felbert. Wie weit dieser Glauben geht? „Naja, man muss sich schon einmal in der Woche bei seinen Künstlern melden“, meint von Felbert und lacht und ist schon wieder auf dem Sprung. In Köln-Mülheim dreht sein neuester Act Veedel Kaztro, ein Reimschmied erster Kajüte, ein neues Musikvideo. Und wie das halt in der Nische so ist, darf einer beim Dreh nicht fehlen: der Labelchef.

Weitere Infos: www.mpmsite.com

Christian Werthschulte

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