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Einst besetzt, heute beliebt: Bahnhof Langendreer
Foto: Stadt Bochum

Das wäre unser Haus gewesen

29. August 2013

Von Räumen, Räumkommandos und dem Onkel aus Amerika – Popkultur in NRW 09/13

Geschichte wiederholt sich. Nicht als Farce, nicht als Tragödie, sondern einfach nur als schnöde Wiederholung des Immergleichen. Ebenso wenig wie man heute nirgendwo vor alten Derrick-Folgen und dem Song „Where is my mind?” von den Pixies sicher ist, so wenig gibt es eine Chance, folgendem Ablauf der Ereignisse zu entkommen: Irgendwo im Ruhrgebiet steht ein Gebäude leer. Meistens war es auf die Nutzung durch große Gruppen ausgelegt, z. B. eine Schule. Oder ein Museum. Oder ähnliches. Der Leerstand tut dem Gebäude nicht unbedingt gut, manchmal sind bereits Fensterscheiben eingeworfen, manchmal ist es aber einfach nur Gegenstand für einen Sommerlochartikel des Subgenres „Neue Pläne für XYZ”. Aber auch die wiederholen sich Sommerloch um Sommerloch. Dann irgendwann tritt eine Gruppe junger Menschen auf. Sie haben studiert, manche länger, andere erst seit kurzem. Und irgendwann während diese Studiums haben sie eine Idee bekommen: Raum, für den die Öffentlichkeit mal mit Steuermitteln bezahlt hat, solle irgendwie auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Kann man ja mal drüber nachdenken. Also ziehen diese jungen Menschen in eins dieser leerstehenden Gebäude ein, auch wenn sie keinen Schlüssel dafür besitzen. Den Einzug kommunizieren sie dann nach draußen – per Transparent und durch Abspielen des immergleichen Songs von Ton Steine Scherben: „Doch die Leute im besetzten Haus riefen ‚Ihr kriegt uns hier nicht raus!‘“.

Soweit ist die Geschichte bekannt. Oder es wäre schön, wenn sie es denn wäre. Denn ein Großteil dessen, was man Woche für Woche als Teil der kulturellen Infrastruktur des Ruhrgebiets wahrnimmt, ist aus ebensolchen Aktionen entstanden: der Bahnhof Langendreer in Bochum, die Zeche Carl in Essen. Auch beim Oberhausener Druckluft wurde der Leerstand erst mit dem Engagement einer Basisinitiative beendet. Und selbst wenn man es mit Blick auf ihr heutiges Programm nicht so häufig glauben mag, für Popkultur waren Orte dieser Art immer wichtig – als Versprechen auf eine bessere Zukunft. Und selbst wenn diese Zukunft nicht wie die Visionen der Gründungsphase ausgefallen ist, hatten zumindest alle Beteiligten die Chance, sich auszuprobieren, Fehler zu begehen und aus diesen zu lernen. So war es zumindest vor gut 30 Jahren. Für „Bärendelle“ „UZDO“ oder welchen Namen auch immer sich die BesetzerInnen von heute für ihr Projekt ausgedacht haben, haben die Stadtverwaltungen im 21. Jahrhunderts aber nur das Räumkommando übrig. Hier wiederholt sich die Geschichte auf andere Weise. Beim Lesen der Hintergründe beschleicht einen das Gefühl, in einem Film der 1950er gelandet zu sein, in dem der „Onkel aus Amerika” die Sache schon in Richtung Happy End biegen wird. Dieser Onkel hört heute auf verschiedene Namen. Mal heißt er „Kreativwirtschaft“, mal „der Investor, mit dem man im Gespräch ist“. Nur das Happy End ist für die leerstehenden Gebäude bislang ausgeblieben. Deshalb folgende Bitten: Liebe Stadtverwaltungen – schaut doch bisweilen mal in eure eigenen Archive oder besucht die Konferenz „Interventionen – Stadt für alle” im Bahnhof Langendreer, um eine Zukunft jenseits leerer Renditeversprechen wiederzuentdecken. Und liebe BesetzerInnen – löscht doch endlich mal diesen schrecklichen Ton Steine Scherben-Song von euren Smartphones. Das Bethanien ist ja schließlich auch nicht mehr besetzt.

„Interventionen – Stadt für alle“ | Bahnhof Langendreer, Bochum | Sa. 28.9. 10 Uhr | www.interventionen.org

Christian Werthschulte

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