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Regisseur Götz Spielmann
Foto: Presse

Das eigentlich Schöne an Filmen

28. Mai 2014

Regisseur Götz Spielmann über „Oktober November“ – Gespräch zum Film 06/14

Götz Spielmann, Jahrgang 1961, studierte in den 80er Jahren an der Filmakademie Wien. 1990 legte er sein Kinodebüt vor. Er arbeitet auch für Fernsehen und Theater. Seine Filme „Die Fremde“ (2000), „Antares“ (2004) und „Revanche“ (2008) waren für den Oscar nominiert.

Herr Spielmann, was war der Anstoß für sie, diese Familiengeschichte zu erzählen?
Wenn ich das noch wüsste. Man arbeitet eben so vor sich hin, hat da einen Ansatz zu einer Idee, dort einen anderen, und irgendwann fügt sich Dieses und Jenes, und plötzlich sieht und spürt man einen Sinn, und die Arbeit bekommt ein klar gefühltes Ziel... Es sind immer viele und ganz verschiedene Anstöße, die eine Geschichte braucht.

Ihr letzter Film „Revanche“ glich beinahe einer griechischen Tragödie. Die Dramaturgie des neuen Films ist hingegen sehr offen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Ich wollte einen Film machen, der dem Leben möglichst nahe kommt. Und ich hatte den Eindruck, dass die dramatische Struktur, die sogenannte klassische Dramaturgie, wie sie landauf, landab gelehrt und gepriesen wird, dieses Ziel verfehlen würde. Das Leben ist ja im Allgemeinen eher episch als dramatisch. So scheint es mir jedenfalls.

Oktober November umkreist die unausgesprochene schmerzliche Vergangenheit einer Familie. Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen gibt es aber nicht das eine, traumatische Ereignis, sondern ein Gewebe an zwischenmenschlichen Problemen. Wie bekommt man diese Komplexität filmisch in den Griff?

Das hab ich mich beim Schreiben und Konzipieren des Filmes auch des Öfteren gefragt. Vielleicht spielt auch hier die Antwort auf die vorherige Frage, dass das Leben eher episch als dramatisch ist, eine Rolle.

Die Sterbeszene ist sehr lang und auch extrem langsam inszeniert. Der Akt des Sterbens hat in ihrer Geschichte für die Figuren eine viel bedeutenderen Stellenwert als das Totsein...

Es ist ja ein Mysterium, das ich da zeige. Eine Erfahrung auch. Die zwei Schwestern machen diese Erfahrung und machen sie gemeinsam. Es ist ganz natürlich und ganz notwendig, dass das in dieser genauen Aufmerksamkeit geschieht. In unserer Zivilisation ist das Sterben ja stark verdrängt, ins Unsichtbare abgeschoben. Wenn den Menschen ihre Endlichkeit bewusster wäre, würden sie nicht so zahlreich zu Konsumidioten gemacht werden können. Da begegnen sich das Existentielle und das Politische.

Die Darsteller sind beeindruckend. Man hat das Gefühl, sie bislang noch nicht so intensiv erlebt zu haben. Was zeichnet ihre spezielle Arbeitsweise mit den Schauspielern aus – fließt ihre Theaterarbeit dort ein?

Danke, das freut mich. Da spielt so vieles zusammen, dass ich das jetzt so schnell gar nicht genau beschreiben kann. Die Arbeit mit Schauspielern habe ich mir aber vor allem beim Filmemachen erworben, nicht umgekehrt.

Der dramaturgische Rhythmus des Films ist wechselhaft, und auch der Schnitt irritiert mitunter durch lange Einstellungen hier und recht plötzliche Abblenden dort. Welche Überlegungen stehen hinter solchen Entscheidungen?

Dahinter stehen musikalische, formale, rhythmische Entscheidungen. Also sehr lustvolle. Die Form und die Musikalität sind ja in der Tiefe das eigentlich Schöne an Filmen.

INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER

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