Sonntag, 10. Mai: Die Bedeutung von Musik sei nur aus ihrem Gebrauch heraus zu verstehen, sagt der Komponist und Filmemacher Christian von Borries. Die Geschichte der Vereinnahmung von Musik durch politische und militärische Zusammenhänge ist lang.
Dies reicht von den Stechschritt-Rhythmen der Marschmusik, über den Pathos der Propagandafilme des vergangenen Jahrhunderts, bis hin zu den zeitgenössischen Kriegen, in denen Musik bereits buchstäblich zur Waffe geworden ist und als Folterwerkzeug benutzt wird. Inzwischen schon berüchtigt hierfür ist die US-Metal-Band Drowning Pool, deren Stück „Bodies“ mit dem martialischen Slogan „Let the bodies hit the floor“ nicht nur zur Zermürbung bei Verhören in Guantánamo eingesetzt wurde, sondern auch zur inoffiziellen Hymne der amerikanischen Soldaten im Irak und Afghanistan avancierte.
Da ist es nur folgerichtig, dass das Stück auch in von Borries’ Performance „Conflict Music – The Soundtrack of World Cultures“ prominente Verwendung findet. Auf eine Einladung der Akademie der Künste der Welt hin hatte er für das Projekt, das sowohl im Programm des Acht Brücken-Festivals als auch der Pluriversale II aufgeführt wurde, im Repertoire der westlichen Musik nach Reflexionen über den Krieg gefahndet.
Ohne Scheuklappen samplet er sich mit einem Kammerorchester aus Mitgliedern des Ensemble Garage und des Kölner Zentrums für Alte Musik durch die unterschiedlichsten Stile und Epochen. So bedient er sich bei der von osmanischen Marschliedern inspirierten Janitscharenmusik Mozarts, ebenso wie bei dem sowjetischen Komponisten Schostakowitsch. Zarah Leanders Durchhaltelieder erinnern an die Kriege der Vergangenheit, während John Williams' von Wagner inspirierter Soundtrack zu „Star Wars“ darauf verweist, wie in Zukunft gekämpft werden wird – Rüstungskonzerne forschen bereits fleißig an tatsächlichen Laserwaffen.
Diese und weitere Quellen, etwa von Hanns Eisler, Ianis Xenakis und besagten Drowning Pool, zerlegt von Borries in ihre Elemente und setzt sie collagenhaft wieder zusammen. Dafür holt er sich weitere Unterstützung: Neben dem Kölner Techno-Paten Wolfgang Voigt steuert auch der libanesische Musiker Rayess Bek einen Remix bei – in Echtzeit, denn die Musik aus dem Saal in der Fritz Thyssen Stiftung wird per Livestream in Beks Beiruter Studio geschickt, von wo aus dieser seine Bearbeitung nach wenigen Minuten zurück schickt. Ein riskantes Experiment, das aber aufgeht.
Auch die visuelle Ebene wird von von Borries bedient: So laufen im Hintergrund Filmaufnahmen der Waffenmesse IDEX in Abu Dhabi, die von Borries selbst dort gedreht hatte. Während die Image-Filme der Rüstungskonzerne durch ihre betont biedere Bankfilialen-Ästhetik verstören, verwenden Vorführungen der Waffensysteme vor Publikum mit Statisten und Kamerakränen die Inszenierungsstrategien Hollywoods. Von Borries bezeichnet dies als typische Spektakelproduktion nach Guy Debord – was dort aufgeführt würde, sei ein Theaterstück von Krieg.
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